Bilder ems der Natur und dem Menschenleben.
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Rößlein zum Reiten, sondern steht da wie ein Wächter tu der Höhe,
und wenn er sich wendet, so ist es, als wollte er schauen, was in den
Lüften vorgeht, um es den Menschen zu verkünden. — Und nun bleibt
noch übrig die Tiefe. Da habe ich nichts weiter als den gepflasterten
Hofraum mit einer Pumpe, Kein Hühnlein oder Täublein läßt sich
da blicken; nur die wohlgenährte, weiße Katze schleicht bisweilen umher.
Was sonst dort vorgeht, ist eben nichts anderes als das alltägliche
Hofleben. Darum will ich mit dem Blicke lieber wieder in die Höhe
steigen, und zwar zum Schluß in die höchste Höhe, die ich noch ver¬
gessen habe. Die Lage meines Zimmers ist nach Westen.
So blicke denn auch Du bisweilen nach Westen, und wir be¬
gegnen uns im letzten Schimmer des Abendrotes und im Blinken der
ewigen Sterne. Dein treuer Freund Heinrich.
69. Die Herde.
Bone.
Der Nachmittag war schwül; die Strahlen der Sonne hatten
eine stechende Schärfe; einige Wolken zogen langsam am lichtblauen
Himmel umher; man fühlte die Nähe eines Gewitters. Ich ging im
nahen Walde spazieren und kam an einen freien Platz. Hier erblickte
ich eine große Herde Schafe. Sie hatten sich alle zur Ruhe gelegt;
eines lag dicht am anderen; nur wenige hielten die Köpfe empor.
Zwei hohe Eichbäume warfen ihre Schatten über die Lagerstätte.
Zwischen den Eichbäumen war eine Quelle; grünes Moos umgab sie;
daneben lag der Schäfer und schlief. Zu seinen Füßen saß der schwarze
Hund und blickte ruhig nach der Herde; an der Quelle standen zwei
weiße Lämmlein und tranken das kühle Wasser.
70. Voller Frühling.
W. Sommer. Hand- und Hilfsbuch für den Unterricht im deutschen Aufsatz.
Der schöne, heitere Frühling ist an allen Enden eingezogen; es
lebt und webt in der ganzen Natur; Wiese, Feld und Wald sind
gleichsam zu neuen Schöpfungen geworden, und doch bringt jeder Tag
noch frische Freuden und Überraschungen. Die Obstbäume um unser
Dörfchen sind so dicht mit glänzenden Blüten übersät, daß sie wie ein
einziger gewaltiger Strauß dastehen, woraus nur die Spitze des Kirch¬
turmes und hin und wieder ein Dachgiebel freundlich hervorblicken.
Lustige Buchfinken, Meisen und andere Böglein bauen singend ihre
Nestchen hinein, während die zurückgekehrten Schwalben fröhlich umher¬
kreisen, um sich ihre alten, lieben Wohnungen wieder aufzusuchen und
herzustellen. Garten und Feld hallen wider vom fröhlichen Gespräche
fleißiger Menschen, die mit freudigen Hoffnungen säen und pflanzen
und ihre Arbeiten frohen Herzens dem Segen Gottes anheimstellen.