Full text: Erstes Lesebuch für die Mittelstufe (Teil 3, [Schülerband])

B. Pflichten gegen Gott und den Naͤchsten 
scheine, als ich bin und mich selbst erkenne. Lieber Vater, tue mir ferner 
nicht mehr Gutes, sondern strafe mich, damit ich wieder zu dir kommen 
darf und aufhöre, mein eigner Quäler zu sein! Laß mich nur hart 
büßen für mein Vergehen! Denn siehe, ich habe die jungen Bäumchen 
beraubt.“ — Da reichte ihm der Vater die Hand, drückte ihn an sein Herz 
und sprach: „Ich vergebe dir, mein Kind! Gebe Gott, daß dieses das 
erste und letzte Mal sei, daß du etwas zu verhehlen hast! Dann soll es 
mir nicht leid sein um die Bäumchen.“ rledr Adolf Arummacher. 
Reu' ist des Herzens Arznei; Reue macht die Seele frei. 
55. Der alte Landmann an seinen Sohn. 
1. Ub immer Treu' und Redlichkeĩt bis an dein kühles 
Grab und weiche keinen Finger breit von Gottes Wegen ab! 
2. Dann wirst du wie auf grünen Au'n durchs Pilgerleben 
gehn; dann kannst du ohne Furcht und Grau'n dem Tod ins 
Auge sehn. 
„Dann wird die Sichel und der Pflug in deiner Hand s0 
leicht; dann singest du beim Wasserkrug, als wär' dir Wein gereicht 
4. Dann suchen Enkel deine Gruft und weinen Tränen drauf, 
und Sommerblumen, voll von Dufst, blubhn aus den Tränen auf. 
Ludw. Nölty. 
56. Die Hirtenslöte. 
Ein König hatte einen Schatzmeister, der sich vom Hirtenstabe zu 
diesem wichtigen Amte emporgearbeitet hatte. Der Schatzmeister wurde 
aber bei dem Könige verklagt, daß er ihn um seine Schätze betrüge und 
die geraubten Gelder und Kostbarkeiten in einem eignen Gewölbe mit 
eiserner Tür aufbewahre. Der König besuchte den Schatzmeister, besah 
dessen Palast, kam an eine eiserne Tür und befahl, sie zu öffnen. 
Als der König nun hineintrat, war er nicht wenig erstaunt. Er 
sah nichts als vier leere Wände, einen ländlichen Tisch und einen Stroh— 
sessel. Auf dem Tische lag eine Hirtenflöte nebst einem Hirtenstabe und 
einer Hirtentasche. Durch das Fenster sah man auf grüne Wiesen und 
waldige Berge. 
Der Schatzmeister aber sprach: „In meiner Jugend hütete ich die 
Schafe. Du, o König, zogst mich an deinen Hof. Hier in diesem Ge— 
wölbe bringe ich nun täglich eine Stunde zu, erinnere mich mit Freuden 
meines vorigen Standes und wiederhole die Lieder, die ich ehemals bei 
meinen Schafen zum Lobe des Schöpfers gesungen hatte. Ach, laß mich
	        
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