156 — 
„Wollen Sie nicht ein hübsches Taschengeld verdienen?“ hatte mich 
mein Brotherr gefragt. „Ich habe eine Arbeit, die Sie abends nach und 
morgens vor den Geschäftsstunden fertigen können. Da Sie von abends 7 Uhr 
an Ihre Zeit frei haben, läßt sich das ganz hübsch machen. Sie können auf 
diese Weise in manchem Monat noch 60 Mk. erwerben.“ 
Rasch griff ich zu. Wie freue ich mich des noch heute! Denn dreierlei 
Gewinn hatte ich von dieser Thätigkeit. 
Erstens. ich lernte etwas; ich mußte Druckbogen verbessern, d. h. die 
Fehler, die der Setzer beim Zusammenstellen der Buchstaben gemacht hatte, 
am Rande anmerken. Die Handschrift des Verfassers, die neben mir lag, 
hatte ich genau mit dem Druckbogen zu vergleichen und die Fehler anzumerken. 
Dadurch gewöhnte ich mich an Genauigkeit und Pünktlichkeit und lernte auch 
manches von dem Inhalte des Gedruckten. 
Zweitens konnte ich den Einladungen meiner Altersgenossen zum Mit⸗ 
machen ihrer Vergnügungen nicht folgen; ich hatte keine Zeit dazu. 
Drittens verdiente ich viel Geld. Ich habe mich bei jener Arbeit recht 
wohl befunden. Oft mußte ich morgens vor 4 Uhr anfangen; aber ich kann 
auch aus langer Erfahrung die Wahrheit des Wortes bestätigen: Morgenstunde 
hat Gold im Munde. Die Stimmung meines Gemütes war großenteils eine 
rosige, da ich sah, daß es mit jedem Tage vorwärts ging. Mein Leben war 
ein sehr geregeltes, und ich glaube, daß das auf das Befinden eines jungen 
Mannes einen größeren Einfluß ausübt, als die meisten zugeben möchten. 
Meinen Sie übrigens ja nicht, daß ich ein Stubenhocker gewesen sei! Zwischen 
Licht und Dunkel erging ich mich in Gottes freier Natur, und an Sonntag⸗ 
nachmittagen schüttelte ich den Laden- und Straßenstaub von den Füßen und 
durchstreifte die Umgegend meiner Heimat. Gleichgesinnte Freunde gab es auch, 
so daß wir solche Ausflüge gemeinsam machten. Außer frischem Mut brachten 
wir rote Backen nach Hause und freuten uns wieder eine ganze Woche lang auf 
den nächsten Ausflug. Und was bei diesen Spaziergängen gar nicht zu unter⸗ 
schätzen war, ist das: sie kosteten nichts oder doch sehr wenig. Läßt ja doch Gott 
die Sonne scheinen und die Gräser und die Blumen wachsen und die Vöglein 
zwitschern und singen für jedermann; durch die Bäume des Waldes zieht für 
Reiche und Arme dieselbe erfrischende und stärkende Luft, und auf den Bergen 
haben wir umsonst herrliche Rundschau. 
Durch solche Ausflüge und darauffolgenden gesunden Schlaf neu gestärkt, 
ging ich wohlgemut am andern Morgen wieder an meine Arbeit; seit damals 
bis jetzt hat nie ein Arzt auch nur einen Pfennig an mir verdient.“ 
Mach Hottinger.) 
Wer den Pfennig nieht ehrt, ist des Thalers nieht wert. — 
Viele Körner machen einen Hausfen. — 
Junges Blut, spar' dein Gut; Armut im Alter wehe thut. — 
Sparschaft giebt Barschaft.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.