Full text: Zweites Lesebuch für die Mittelstufe (Teil 4, [Schülerband])

G. Aus der vaterlaͤndischen Geschichte. 
Tode hinterließ er einen baren Schatz von 9 Millionen Talern, welche 
seinem Sohne in den Schlesischen Kriegen trefflich zu statten kamen. 
Nach Ranke. 
173. Eine Schulprüfung Friedrich Wilhelms J. 
Ganz in der Frühe eines Julitages des Jahres 1730 hatte der 
König in Küstrin die Soldaten besichtigt, war dann nach der Kreisstadt 
Soldin gefahren, um die Kassen des königlichen Amtes daselbst zu prüfen; 
den Nachmittag des gleichen Tages aber hatte er zu einem Besuche der 
Schule in dem Orte Giesenbrügge, nicht weit von Soldin, bestimmt. 
Denn erstens — so meinte der König — muß es in einem Lande mit 
den Soldaten stimmen, dann mit den Kassen, dann mit der Schule. 
. „Schnell, tummele dich; der König ist hier. Er kommt schon mit 
dem Schulzen die Straße herauf,“ rief bestürzt Frau Wendroth, des 
Lehrers Frau, ihrem Manne zu, der, mit der Gießkanne in der Hand, 
im Garten von Beet zu Beet ging, um die Blumen und das Gemüse zu 
tränken. Eilig riß Lehrer Wendroth den Hausrock von den Schultern 
und eilte durch den Garten ins Haus. Nach einer Minute schon stand er 
vor dem Könige. „Das ist mir lieb“ — begann dieser — „daß ich Ihn 
hier zu Hause finde. Er soll mir eine Stunde halten mit seinen Jungen; 
ich will mal die Bürschchen arbeiten sehen.“ „Wie Majestät befehlen,“ 
erwiderte Wendroth, der anfangs vor dem König erschrocken war, in— 
zwischen sich aber gefaßt hatte. „Der Schulbesuch ist doch gut,“ warf der 
König ein und erhielt eine bejahende Antwort. Er war schon in die 
Schulstube getreten und musterte hier alles genau: Bänke, Tische, Bücher, 
Listen, zuleßt die Schreibhefte. „Was bringt Er denn den Jungens bei?“ 
fragte der König, von den Heften aufsehend. „Lesen, Schreiben, Rechnen, 
die Heilige Schrift, einige Kenntnisse in der Geographie und Naturgeschichte.“ 
— „Gut!“ fiel der König ein. „Lege Er einmal los!“ 
2. Es bedurfte keiner großen Mühe, die Schuljugend herbeizurufen, 
und bald war die Schulstube von den Schülern gefüllt. Sie waren alle 
gekommen, wie sie gingen und standen, die meisten in Hemdsärmeln, alle 
recht neugierig und eifrig den König betrachtend, der sich auf einen Stuhl 
niedergelassen hatte und lächelnd die wohlgenährten, meist strammen Burschen 
betrachtete; hinter dem Könige standen seine beiden Begleiter. Staunend 
betrachteten die Jungen die Uniformen, eine Unruhe überkam sie. „Worin 
befehlen Majestät, daß ich prüfen soll?“ fragte der Lehrer. „Worin Er 
will — das Nützliche zuerst — versteht sich.“ 
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