fullscreen: Von Vulfila bis zum Ende des 19. Jahrhunderts (Hälfte 1, [Schülerband])

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Ehe wir es inne werden, 
Auff jhr letztes Ende hin; 
Dann kömpt ohne Geist vnd Sinn 
Dieses alles in die Erden. 
Hola, Junger, geh' vnd frage, 
Wo der beste Trunck mag seyn, 
Nimb den Krug vnd fülle Wein. 
Alles Trawren, Leid vnnd Klage, 
Wie wir Menschen täglich haben, 
Eh' vns Clotho fort gerafft, 
Wil ich in den süssen Safft, 
Den die Traube giebt, vergraben. 
Kauffe gleichfals auch Melonen 
Vnd vergieß des Zuckers nicht; 
Schawe nur, daß nichts gebricht. 
Jener mag der Heller schonen. 
Der bey seinem Gold vnd Schätzen 
Tolle sich zu krencken pflegt 
Vnd nicht satt zu Bette legt; 
Ich will, weil ich kan, mich letzen. 
Bitte meine gute Brüder 
Auff die Music vnd ein Glaß: 
Nichts schickt, dünkt mich, nicht sich baß 
Als gut Tranck vnnd gute Lieder. 
Laß' ich gleich nicht viel zu erben, 
Ey, so hab' ich edlen Wein; 
Wil mit andern lustig seyn, 
Muß ich gleich alleine sterben. 
4. 
WEr GOTT das Hertze giebst, 
So nie sich von jhm trennt 
Vnd eine Seele liebet, 
Die keine Falschheit kennt. 
Der mag ohn Sorgen wachen. 
Mag schlaffen, wie er wil, 
Weil seine rechte fachen 
Sehn auff ein gutes Ziel. 
Laß böse Zungen sprechen, 
Was jhnen nur gesellt. 
Laß Neid vnd Eifer stechen. 
Laß toben alle Welt, 
So wird er dennoch machen, 
Was sein Gemüthe wil. 
Weil seine rechte Sachen 
Gehn auff ein gutes Ziel. 
Ich lege Neid vnd hassen 
Bestendig vnter mich 
Vnd stelle thun vnd lassen, 
O GOTT, allein auff dich. 
Du wirst es alles machen, 
Thun, was mein Hertze wil, 
Weil seine rechte Sachen 
Sehn auff ein gutes Ziel. 
II. Aus den Sonetten. 
An die Bienen. 
JHr Honigvögelein, die jhr von den Violen 
Vnd Rosen abgemeyt*) den wundersüssen Safft, 
Die jhr dem grünen Klee entzogen seine Krafft, 
Die jhr das schöne Feldt so offt vnd viel 
bestohlen, 
Jhr Feldeinwohnerinn, was wollet jhr doch 
holen 
Das, so euch noch zur Zeit hat wenig Nutz 
geschafft. 
Weil jhr mit Dienstbarkeit der Menschen seyd 
_ behafft 
Vnd jhnen mehrentheils das Honig muffet 
zohlen? 
Kompt, kompt zu meinem Lieb' auff jhrem 
Rosenmund, 
Der mir mein kranckes Hertz hat inniglich 
verwundt. 
Da sollt jhr Himmelspeis' auch überflüssig1 2) 
brechen; 
Wann aber jemand sie wil setzen in Gefahr 
Vnd jhr ein Leid anthun, dem solt du, 
starcke Schar, 
Für Honig Galle seyn vnd jhn zu Tode stechen. 
+- 
1) abgemeyt, abgemäht, eingeerntet. 2) überflüssig, überreichlich.
	        
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