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und mehr spiegeln die abgeernteten Flächen den Himmel wider. An den
faulenden Kleewurzeln zehren Millionen von Krebschen, und die eingesetzten
Karpfen, die in besondern Teichen gezüchtet worden sind, finden einen reich¬
gedeckten Tisch und wachsen schnell heran. Sumpfgewächse sprießen auf, und
da, wo im Herbste der Pflug ging, erheben sich ganze Züge von Enten vor
dem Kahne des Jägers. Schüsse knallen, Möwen kreischen, und hoch oben
in der blauen Luft zieht der Fischaar seine Kreise.
2. Der Spätherbst ist die Erntezeit des Teichwirtes. Teich auf Teich
wird „abgefischt". Heute ist an dem Gänseteiche die Reihe. Der Weg führt
uns vom Dorfe aus nach halbstündigem Wandern zum Ziele. Goldig leuchtet
das Herbstlaub, und durch den glitzernden Dunst des Morgens grüßt der
Hahnnuer Dickturm herüber. Vor uus liegt zuletzt eine weite Ebene, teils
nackt und trocken, teils feucht. Das dürre Gestäude, womit sie bedeckt ist,
raschelt im leichten Luftzuge. Zahlreiche Baumgruppen umkränzen sie. Diese
weite Ebene vor uns war noch vor wenigen Tagen ein Teich.
Nun ist dem Wasser allmählich Abzug gestattet worden, und der Teich¬
grund hat so viel Neigung, daß auch die letzten Reste abfließen und sich in
dem Graben sammeln konnten, der das ganze Teichfeld durchzieht und in den
„Stich" mündet, einen Tümpel vor dem Abflusse. Jeder Fisch hatte Zeit,
der unmerklich zurückweichenden Welle zu folgen, bis schließlich im Graben und
im Stiche die Teichbewohner sich zusammendrängten und hin und her schweifend
das Wasser trübten. Arbeiter rüsten unter Aufsicht des Fischmeisters das
große Zugnetz, stellen den Sortiertisch auf uud füllen die Fässer, die auf
Wagen bereit stehen, mit Wasser.
3. Jetzt wird das Zeichen zum Beginne des Fischens gegeben. Das
Zugnetz wird im obersten Teile des Grabens eingelegt und von einer Anzahl
kräftiger Arme dem Stiche zugezogen, um alle Schuppenträger, die noch im
Graben stroman nach Freiheit ringen, zur Rückkehr zu zwingen. Schwer
atmend kommen die Fischer Schritt für Schritt näher. Einem Brette gleich
schiebt das gefüllte Garn Fische und Wasser vor sich her. Immer trüber
strömt die Flut. Zu zehn, zu Hunderten, ja schließlich zu Tausenden drängen
die Fische dem Stiche zu, und das tiefere Wasser des Tümpels verbirgt sie
alsbald dem Auge.
Nun ist das Zugnetz angelangt. Der Graben wird einstweilen ab¬
gesperrt, und es beginnt das Abfischen. Ein Zug durch den Tümpel,
und nur mit Mühe können die kräftigen Hände das Netz so weit auf das
Ufer ziehen, daß es möglich ist, die Fische zu bergen. Welch ein Gewimmel!
Welch eine wogende Menge der gelblich leuchtenden Leiber, der rötlichen,
klatschend schlagenden Schwanzflossen! Zwischen den Karpfen eine Anzahl
blinkender Schleien. Hier und da ein fremder Eindringling, ein schlankes