Full text: [Teil 3 = (6. bis 8. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 3 = (6. bis 8. Schuljahr), [Schülerband])

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und der Schwede verstehen nicht Deutsch. Will ich mit meinen 
Nachbarn verkehren, muß ich Englisch sprechen, denn rings im Um¬ 
kreise wohnen nur Amerikaner. Wenn ich Milch in der Stadt ver¬ 
kaufen will, muß ich Englisch sprechen; denn das Englische ist die 
Umgangssprache, und wenn ich die nicht könnte, würde ich einfach 
meine Milch nicht los. Englisch ist auch die Umgangssprache der 
Kinder, und wenn die Eltern im Hause wirklich auf die deutsche 
Sprache halten, untereinander redet die Jugend nur Englisch, und die 
amerikanische Schule macht die deutschen Kinder nur zu schnell zu 
Yankees. 
3. Nun bin ich schon beinahe drei Jahr in der Neuen Welt. 
Du fragst, ob ich mich hier auch fleißig umgeschaut habe. Ja, lieber 
Freund, in Amerika kostet das Reisen auch Geld, viel mehr als bei 
Euch, und das hat sich hei mir eben noch nicht in der erträumten 
Menge eingestellt. Jährlich ein paarmal bin ich in New York; man 
sieht dann wieder einmal hinein in den Riesenverkehr und das ge¬ 
waltige Treiben der Großstadt, um sich später doppelt einsam auf 
seiner stillen Farm zu fühlen. Nun fragst Du weiter: Warum bleibst 
Du denn einsam? Warum heiratest Du nicht? Du weißt, dazu 
gehören ihrer zwei; zudem sind die amerikanischen Frauen weit an¬ 
spruchsvoller als unsre Schwabenmädels, und ich wage daher noch 
nicht, jemand an mich zu ketten, bevor ich nicht die Gewißheit habe, 
daß ich zum Leben genug für mich und mein Weib erwerben kann. — 
So ist’s bei uns denn eine seltsame Wirtschaft; ich bin als Milchfuhr¬ 
mann im Nebenamt noch für Küche und Hauswesen verantwortlich. 
Freilich wenn die Arbeit draußen drängt, werden mit der Kocherei 
nicht viel Umstände gemacht. Auch das Hosenflicken verstehe ich 
vorzüglich und habe dabei gemerkt, daß sich der Mensch hier hüben 
noch viel mehr plagen muß als drüben im alten Yaterlande. Mühe, 
Arbeit, und — lach mich nicht aus — das Heimweh: das war der 
Inhalt meines Lebens im vergangenen Jahre. Aber ich will nicht 
klagen. 
Heute ist Silvester. In Cannstatt brauen sie sich bald den 
Punsch und jubeln dem neuen Jahr entgegen. Hier wird’s eine recht 
stille Feier werden. Gott befohlen, lieber Freund! Tritt das neue Jahr 
gesund an und bewahre wie bisher die alte Freundschaft 
Deinem Dich herzlich grüßenden 
Heinrich Möller, 
Farmer.
	        
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