Erste Hilfe bei Unglücksfällen.
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der Umstehenden erhob sich; aber die beiden Helferinnen ließen noch nicht
noch und setzten, obwohl anfs äußerste erschöpft, ihre Bemühungen unablässig
fort, bis die Wangen sich lebhafter röteten und der Kleine plötzlich die Angen
aufschlug. Nun wurden auf Geheiß der jungen Samariterin die gewärmten
Decken herbeigebracht, in welche der Kleine nach Beseitigung der übrigen
Kleidungsstücke eingehüllt und mit denen er dann tüchtig gerieben wurde. Der
Kleine fing an zu sprechen und verlangte etwas zu trinken. Man flößte ihm
warmen Tee ein und trug ihn nun in Decken eingehüllt ins Hans und in
sein Bett, wo er dann bald in einen tiefen, gesunden Schlaf verfiel, und
als ich zwei Stunden später an sein Bett trat, klagte er über nichts mehr.
II.
Wie oft werden die unzweckmäßigsten Mittel angewendet, das Blut zu
stillen, weil die Leute keine Vorstellung davon haben, woher das Blut kommt,
und nur von allerlei Blutstillungsmitteln gehört haben, die sich in diesem
oder jenem Falle bewährt haben sollen. Den größten Ruf besitzt unter den
Laien das Spinngewebe, und man beeilt sich, aus dem staubigsten Winkel
niöglichst viel von diesem unsaubern Stosse herbeizuholen und in die Wunde
Zu stopfen.
Wenn das nicht hilft, so kommt der Fenerschwamm an die Reihe oder
ein alter, schmutziger Waschschwamm, der in die Wunde hinein gepreßt wird.
Nicht selten aber sind Leute da, welche gehört oder gesehen haben, daß man
durch Druck jede Blutung stillen könne. Wo und wie aber dieser Druck an¬
zuwenden sei, das haben sie niemals gelernt, und so wird oft ein Druck an
der unrichtigen Stelle und in der unzweckmäßigsten Weise angebracht, so daß
er die Blutung nur noch verschlimmert, statt sie zu hemmen.
Mit jedem Jahre mehren sich aber die Fälle, in denen es Nichtärzten,
die den Samariterunterricht genossen, gelungen ist, durch zweckmäßig ange¬
brachten Druck den Verblutnngstod zu verhüten.
Als Beispiel erzähle ich das folgende Ereignis, welches ein Arzt kürzlich
mitteilte:
In einer Holzbearbeitungsfabrik, die in nächster Nähe einer großen
Stadt viele Arbeiter beschäftigt, hatte einer derselben das Unglück, mit seiner
rechten Hand einer Kreissäge zu nahe zu kommen, welche sich mit rasender
Geschwindigkeit um ihre Achse drehte. Im Nu war der Vorderarm dicht
oberhalb des Handgelenkes samt dem Knochen so durchsägt, daß die Hand
nur noch an dem Hautlappen hing. Aus zwei Pulsadern des Vorderarmes
spritzte das rote Blut in weitem Strahl. Man schrie nach Hilfe; einige liefen
zum Arzt, aber derselbe wohnte weit entfernt, war auch nicht zu finden und
traf erst nach einer Stunde ein. Zum Glück befand sich ein Arbeiter, der
an dem Samariterunterricht teilgenommen, in dem Maschinenraum, und da
er seit jenem Unterricht den von Esmarch angegebenen Hosenträger trug, so
nahm er ihn schleunigst ab, befreite ihn von seinen Schnallen und legte ihn,
wie er es gelernt und geübt hatte, so fest um den Oberarm, daß die Blutung
sofort gestillt wurde. Dann hüllte er die verletzte Hand in eine reine Ser¬
viette ein, die er mit schwacher Karbollösung befeuchtet hatte, und lagerte den
Verwundeten, der ohnmächtig geworden war, zweckmäßig auf eine schnell
herbeigeschaffte Matratze. Als nach einer Stunde der Arzt anlangte und den
Verband nnd die Serviette abnahm, suchte er zunächst die beiden Pulsadern
in der Wunde aus, um sie zu unterbinden. Da sich dieselben aber zurück¬