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da er einen • größeren Raum einnimmt als das Wasser. So rückt die
Felsmasse aus ihren Fugen, nur um eine Kleinigkeit in jedem Jahr, aber
mit jedem Winter von neuem, bis sie zerborsten auf die Schnee- und
Eismassen des Gletschers herniederfällt und auf seinem Rücken in das Tal
hinabgetragen wird. Daher führt jeder Gletscher an den Seiten Stein¬
wälle mit sich, die sogenannten Seitenmoränen. Wo er abtaut, fallen
diese Massen zu Boden und türmen sich, nun mit der Grundmoräne vereint,
zur Endmoräne auf.
Aber auch an der Oberfläche des Gletschers verwandeln die Sonnen¬
strahlen große Eismengen zu Wasser. Es stürzt in seine Spalten hinab,
oft 100 und mehr Meter tief. Am Grunde setzt es sich, wenn es am
sofortigen Abflusse gehindert wird, in kreisende Bewegung und zieht
nicht selten dort liegende Felstrümmer mit unwiderstehlicher Kraft in
seinen Strudel hinein. So entstehen dann kreisrunde Vertiefungen im
Gestein, die sogenannten Gletschertöpfe.
4. In derselben Weise, nur viel gewaltiger, wirkten die ungeheuern
Eismassen der Eiszeit. Sie schoben sich von den Gebirgen Skandinaviens,
die damals eine bedeutendere Höhe aufwiesen als heute, langsam nach
Süden vor, füllten die Ostsee aus und bedeckten wohl 1000 Meter hoch
das heutige Norddeutschland. Es war also damals bei uns so wie noch
heute in Grönland: eine ungeheure Eiswüste erfüllte das Land, Berg
und Tal unter ihrer Decke vollständig verhüllend. Solchem Inlandeise
fehlen freilich die Seitenmoränen; aber es führt große Mengen von weichen:
Boden und Felsstücken als Grundmoräne mit sich und lagert sie unter¬
wegs ab oder schüttet sie beim Abtauen auf. Dadurch, daß die Eiszeit
mehrere Jahrtausende dauerte, wird die „Mächtigkeit" der Geschiebe des
norddeutschen Flachlandes begreiflich.
Die Felsstücke in ihnen bezeichnen wir heute als Feldsteine, Find¬
linge oder erratische Blöcke. Sie kommen in allen Größen vor. Zu den
größten gehören die Markgrafensteine auf den Rauenschen Bergen bei
Fürstenwalde, die in ihrem Umfange kleinen Häusern gleichen. Diese
steinernen Fremdlinge bestehen meist aus einem rötlichen Granit, der sich
in der mitteldeutschen Gebirgsschwelle selten findet, aus dem sich aber die
gewaltige Felsenfestung Skandinaviens aufbaut. Unsre Vorfahren sahen
diejenigen unter ihnen, die durch ihre Form oder Größe die Aufmerksam¬
keit auf sich zogen, mit einem Gefühl heimlichen Grauens an. Da sollte
diesen der Teufel im Zorn gegen ein Gotteshaus geschleudert haben, in
dessen Nähe er lag; in jenen bannte die Kraft eines Zauberers für immer
die Seele eines Menschen, dessen klagende Stimme den einsamen Wanderer
in stiller Nacht erschreckte. So umspann sie die Sage mit ihrem Geranke,