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Rumpfe Europas zusammenhingen, so daß sich der feuchtende Einfluß
des Meeres in dem norddeutschen Flachlande kaum noch geltend machen
konnte. Aus der feuchten Moossteppe wurde so eine trockene Grassteppe.
Heiße Sommer und strenge Winter wechselten in ihr miteinander ab.
Oft raste die Windsbraut mit furchtbarer Kraft über sie dahin; sie wurde
im Winter verderblicher als der glühende Samum der Sahara. Die
Kälte war dann ihr Bundesgenosse, der Schnee ihr vernichtendes Geschoß.
Wetterharte Pflanzen bedeckten den Boden; an feuchten Stellen bekleidete
er sich mit spärlichem Baumwuchs, so daß die Steppe hier ein parkähnliches
Aussehen erhielt. Über sie schweiften flüchtige Tiere mit starkem Haar¬
kleid dahin, die noch heute in den Steppengebieten Rußlands und Mittel¬
asiens leben, wie das Wildpferd, der Wildesel, die Saigaantilope, das
Steppenmurmeltier, das Steppeustachelschwein, der Pfeifhase. Aber auch
die Knochen vom Mammut und Nashorn werden neben den Resten jener
im Boden gefunden. Und wie hatte die Umwandlung seines Wohngebietes
auf den Menschen gewirkt? Er war zu einer höheren Stufe der Ge¬
sittung emporgestiegen. Nicht mehr durch Jagd allein fristete er sein
Dasein; mit seiner Herde zog er friedlich über die weite Steppe. Bald
hier, bald dort schlug er sein Zelt zu kurzer Rast auf, bis Futtermangel
ihn auf die Suche nach neuen Weideplätzen trieb.
7. Wieder war eine lange Zeit dahingegangen. Da trat eine neue
Vergletscherung Norddeutschlands ein. Aber sie war nicht so umfassend
und nicht von so langer Dauer wie die erste. Ihre Grenzen verliefen in
einem Bogen, der die Westküste Schleswig-Holsteins und den unteren
Lauf der Elbe berührte und bis südlich von Berlin und Posen reichte.
Der Scharfsinn der Forscher hat sie zuerst aus ihren Gletscherschrammen
auf dem Kalkstein bei Rüdersdorf erkannt, welche die der ersten Eiszeit
durchkreuzen. Diese neue Vergletscherung ertötete alles Leben in ihrem
Bereich und lagerte von neuem eine Moränenschicht von bedeutender Stärke
ab. Endlich wich auch diese Eisdecke wieder den Strahlen einer wärmeren
Sonne, und die Gletscher verschwanden für immer aus unserm Vaterlande.
8. Die zweite Eiszeit hat noch in ganz besonderer Weise die Kunde
von ihrem Dasein der Nachwelt übermittelt. Sie grub durch ihre Schmelz¬
wasser drei breite und tiefe Talzüge in den lockern Boden der ostdeutschen
Tiefebene, die von Osten nach Westen verlaufen und dem Tale der unteren
Elbe zustreben. Drei Riesenströme wälzten darin ihre Wassermassen zur
Nordsee. Erst später, als die Gletscher längst verschwunden waren,
bahnten sich zwei von ihnen, die Oder und die Weichsel, dem Abfall des
Landes folgend, ihren Weg in die Ostsee. Teilweise hat sich daher das
Wasser aus diesen ehemaligen Flußbetten ganz zurückgezogen. Wo nicht die