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Kasten liegen. Als er so einige Zeit herumgesungen, nahm ihn eine vor¬
nehme Frau, die zu dem Knaben um seines hellen Singens und andächtigen
Gebetes willen Zuneigung faßte, in ihr Haus und an ihren Tisch. Es war
die Frau Cotta, deren Mann einer der angesehensten Bürger der Stadt
war. In diesenr Hause hatte unser Martin Gelegenheit, milde Zucht und
feine Sitten zu lernen. Das war für später gesorgt, wo er so oft und viel
mit den Großen dieser Welt zusammenkommen sollte. So war's denn der
erste warme Sonnenstrahl, der in das verschüchterte Gemüt des jungen
Luther fiel.
In Eisenach war auch die Schule besser, und es saß nicht alles auf
einem Haufen beieinander, alt und jung, sondern es gab drei ordentliche
Klassen. In andern Schulen saßen nämlich alte Käuze von schier dreißig
Jahren mit zwölfjährigen Kindern zusammen.
Am Fuße der Wartburg lag ein Haus, das den Franziskanern gehörte.
Es war ihnen von der Familie der Cottaschen Ehefrau vornehmlich geschenkt.
Dort verkehrte Luther viel mit den Mönchen, die er als ehrwürdige Männer
schildert. Ob ihm nicht dort schon der Gedanke leise gekommen, daß es ein
gut und heilig Leben sei im Kloster, seitab von der Welt, — wer weiß es? —
Luther hatte fleißig studiert; was von Anlage und Geist in ihm war, blühte
jetzt fröhlich auf. Scharfsinnig und schnellen Geistes, gewandt und der
Sprache gleich mächtig im Schreiben und Reden, so zog der siebzehnjährige
Luther aus Eisenach auf die hohe Schule nach Erfurt.
Emil Frommet. lBilder aus dem Leben Martin Luthers.)
5. lrntksrs Vorbereitung zum Werke
der Reformation.
Klosterleben; Anfechtung und Trost. Luther studierte in
Erfurt die Rechtsgelehrtheit. Ob er wohl ein hurtiger und fröhlicher
Geselle war, fing er doch alle Morgen sein Lernen mit herzlichem Gebet
an. Sein Sprichwort war: „Fleißig gebetet ist über die Hälfte studiert!“
Am Ende des Jahres 1505 wurde ihm ein Freund erstochen, und ein
großes Wetter und gewaltiger Donnerschlag erschreckten ihn einmal sehr.
Er entsetzte sich ernstlich vor Gottes Zorn und dem Jängsten Gerichte
und beschloß, ins Kloster zu gehen, um Gott dort besser dienen zu
können. Dies führte er ohne Wissen und Willen seines Vaters aus. Im
Kloster unterwarf er sich gehorsam jedem niedern Dienste. Er schämte
sich sogar nicht, mit dem Bettelsacke durch die Stadt zu gehen. Ruhe
für seine Seele aber fand er dadurch nicht. „0 meine Sünde, Sünde,