Full text: [Teil 3 = Sechstes - Achtes Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 3 = Sechstes - Achtes Schuljahr, [Schülerband])

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in die Höhe, daß ein altes Mütterlein, welches ihm gerade ent¬ 
gegenkam, sich erschrocken vom Fußsteig auf die offene Straße 
flüchtete. 
Bald erreichte er sein Heim, weit draußen in einer stillen Vor¬ 
stadtgasse. Mit hurtigen Sprüngen eilte er die vier engen, steiler: 
Treppen hinauf. Seine schmucke, blonde Frau empfing ihn. „Grüß 
dich Gott, Robert!" sagte sie und schaute ihn von der Seite an; 
denn sie las es ihm gleich vom Gesicht, daß irgend etwas nicht in 
der Ordnung war. Diese Wahrnehmung aber verschwieg sie ihm. 
Sie faßte seinen Arm und zog ihn gegen die Stube. „Komm nur, 
kannst mir gleich die Kerzen aufstecken helfen. Die Kinder wollen 
schier nimmer warten. Sie schreien wie die Wilden, und der armen 
Großmutter haben sie schon alle Falten vom Rock heruntergerissen." 
Sie traten in das Zimmer, welches, von einer Hängelampe er¬ 
hellt, trotz seiner dürftigen Ausstattung einen behaglichen, freundlichen 
Eindruck machte. Der Tisch war schon zum Abendessen gedeckt, und 
seitwärts, auf einem niedern Kasten, stand der kleine, nicht allzu schwer 
behängte Christbaum, unter welchem die kärglichen Weihnachtsgaben 
für die Großmutter und die Kinder ausgebreitet waren. Sie redeten 
eine Weile über diese Sachen und Sächelchen hin und her; damr 
begannen sie die Kerzen aufzustecken, während aus dem anstoßenden 
Zimmer der übermütige Jubel oer drei „Wilden" sich hören ließ. 
„Robert, mir kommt's vor, als hättest heut einen Verdruß ge¬ 
habt?" fragte nach einer Weile die junge Frau. „Gott bewahr!" 
brummte er und schüttelte den Kopf. Sie fragte nicht weiter, denn 
sie kannte ihn — und da kam's denn nach kurzen Minuten von selbst 
aus ihm heraus, diese Kaffeehausgeschichte. „Heute nachmittag, gerad 
wie ich aus der Fabrik hab fort wollen, hat mir einer einen Brief 
geschickt, ich soll zu ihm ins Kaffeehaus kommen, weil er mir eine 
wichtige Mitteilung zu machen hätt." „Und bist hingegangen?" 
Natürlich war er hingegangen und hatte dort jenen vornehmen 
Herrn gefunden, der sich ihm als Besitzer einer großen Porzellanfabrik 
genannt hatte. Da war es nun bald aufgekommen, daß Schaller eine 
wichtige Mitteilung nicht empfangen, sondern geben, verkaufen sollte. 
Die Fabrik, in der er arbeitete, lieferte neben andern einschlägigen 
Waren eine gewisse Majolikasorte, welche den reißenden Absatz, den 
sie gefunden, der tadellosen Schönheit und dem unvergleichlicher! 
Schmelz ihrer Farben verdankte. Viele Fabriken hatten es versucht, 
den gangbaren Artikel nachzumachen; aber wenn auch die zur Er-
	        
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