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„Vater und Mutter sind schon lange gestorben." „So redet einmal
Deutsch mit mir, nur ein paar Worte!" Der Mann blieb stumm.
„Da ist bös zu helfen. Wie kann ich Euch ein Zeugnis geben, daß
Ihr ein Deutscher seid, und Ihr könnt mir das gar nicht beweisen?
So könnte mir jeder kommen." „Gewiß, Herr Konsul, so wahr Gott
lebt, ich bin ein Deutscher: meine Eltern sind Schwaben gewesen.
Ich sage die reine Wahrheit."
Der Konsul ging im Zimmer auf und ab; der junge Mann hatte
ein ehrliches Aussehen, sprach so offen und frei, und doch —. Plötz¬
lich ging dem Konsul ein Gedanke durch den Kopf. Er trat vor den
Mann hin und sagte: „Guter Freund, habt Ihr denn gar nichts aus
Eurer Jugend behalten? Kennt Ihr nicht irgend ein Gebet, das
Euch die Mutter gelehrt hat?"
Jetzt hätte der Leser das Aufleuchten der Augen sehen sollen.
„Ja, Herr," rief er aus. Wie ein kleines Kind faltete er die Hände
und betete das Vaterunser von Anfang bis zu Ende ohne jeglichen
Anstoß, und als er damit zu Ende war, füllten ein paar große
Tränen seine Augen, und aus ferner Erinnerung gedachte er des
Mütterleins, auf dessen Knieen er dieses Gebet gelernt hatte. Auch
der Konsul war tief bewegt. Alles, was die deutsche Abstammung
beweisen konnte, war in zwanzig Jahren verwischt; nur das erste
Gebet war unauslöschlich eingegraben. „Lieber Landsmann," sagte
jetzt der Konsul, „nun will ich Euch ein Zeugnis geben; denn das
Vaterunser könnt Ihr nur von einer deutschen Mutter gelernt haben."
Nach G. Maisch.
<2 7. Waldlilie im Schnee.
Hinter Salzburg tief drinnen in den Alpen liegt das kleine Dorf
Winkelsteg. Dort wohnt der Bertold, dessen Familie von Jahr zu
Jahr wächst und von Jahr zu Jahr weniger zu essen hat. Ist also
ein Wilderer geworden, der Bertold. Das Holzen wirft viel zu
wenig ab für eine Stube voll von Kindern. Für das kranke Weib
eine kräftige Suppe, für die Kinder ein Stück Fleisch will er haben
und schießt die Rehe nieder, die ihm des Weges kommen. Dazu tut
die Leidenschaft das Ihre, und so ist der Bertold, der vormals
als Hirt ein guter, lustiger Bursche gewesen, durch Armut, Trotz und
Liebe zu den Seinigen recht sauber zum Verbrecher herangewachsen.
Ein trüber Winterabend ist es gewesen. Die Fensterchen sind
mit Moos vermauert; draußen fallen frische Flocken auf alten Schnee.