Full text: [Teil 3 = Sechstes - Achtes Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 3 = Sechstes - Achtes Schuljahr, [Schülerband])

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sagte er, und dabei blieb er. Und wenn die Nachbarn kamen und 
klagten und jammerten, sagte er nur: »Einmal wir, einmal sie.« 
Und wenn sie ihm die Ohren zu voll schrieen, zog er eine weiße 
Zipfelmütze, die er zu meiner Verwunderung seit kurzer Zeit immer 
in der Tasche führte, darüber und tat, als ob er einschliefe. Es 
war immer ein sonderlicher Mann, Annchen, dein Vater. 
Gut. Eines Morgens erhub sich ein Lärm: »Sie sind da!« 
Heiliger Gott, mir fuhr’s ordentlich in die Kniee; meine Jungen 
(Gott hab sie selig!) in allen Gassen, Gott weiß wo, und nur 
mein Annchen hatt ich in der Wiege; mein Alter hatte mal wieder 
die Zipfelmütze hervorgekriegt und übergezogen und sägte im 
Hofe. »Gottfried, Gottfried!« schreie ich, »sie sind da, sie sind da!« 
Er tat, als ob er’s nicht hörte, obgleich ich dicht bei ihm stand. 
In meiner Angst und auch vor Ärger riß ich ihm die dumme 
Mütze ab, warf sie auf die Erde und schrie wieder: »Und die 
Jungen sind auf der Straße — und unsere Löffel — Mann! — 
Mann!« Er hob ganz ruhig seine Mütze auf, klopfte die Sägespäne 
an mir ab, setzte sie ruhig wieder auf und sagte: »Ja — wenn’s so 
ist, werden sie wohl durchs Wassertor kommen; da her geht der 
Weg von Jena.« Ich glaube, so hieß es. Dann sägt’ er weiter. 
Richtig, da trommelte es schon die lange Straße, vom Wassertor 
her, herunter; mir zitterte das Herz immer mehr. »Meister Karsten! 
Meister Karsten! Schnell, schnell!« schrieen plötzlich mehrere 
Nachbarn, die in den Hof stürzten im besten Sonntagstaat. »Ihr 
sollt kommen, Ihr sollt mit zur Deputation an den französischen 
General!« »So?« sagte mein Gottfried, stellte seine Säge hin und 
ging langsam ins Haus, gefolgt von den Nachbarn. Alle zogen mit 
meinem Alten in die Stube, weil sie dachten, er würde nun gleich 
in den Bratenrock fahren und mitrennen. Aber proste Mahlzeit! 
An den Tabakkasten ging mein Alter, stopfte sich eine Pfeife, 
schlug langsam Feuer und sagte: »Nun, so kommt, meine Herren!« 
Die standen alle mit offenen Mäulern da; aber mein Gottfried ließ 
sich nicht irremachen. In Schlafrock und Pantoffeln marschierte 
er ruhig — ich sehe ihn wie heute — voran bis an die nächste 
Straßenecke. Da blieb er stehen und die Nachbarn um ihn herum, 
zeigte mit der Pfeifenspitze auf einen Zettel, der da klebte und 
auf welchem stand: »Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!« oder so 
was — ich hab’s vergessen —, klappte seinen Pfeifendeckel zu, 
drehte sich langsam um und ging ins Haus zurück. Meine beiden
	        
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