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sagte er: „Nun komm! Der arme Tropf wird mit Schmerzen auf
uns warten." Das Mädchen reichte dem Heiri die Hand zum Ab¬
schied und sagte: „Behüt dich Gott, liebs Büebli!" Da klammerte
sich der Knabe an ihre Schürze und rief: „Nicht fortgehen, Babeli!
Du mußt hier bleiben; du bist so gut!" Das Mädchen machte sanft
seine Händchen los und sagte: „Jetzt muß ich halt laufen und dem
armen Schelm helfen, der mit seinem Arm nicht greifen kann. Nachher
kann ich wiederkommen und mit dir spielen." „Du mußt aber auch
gewiß kommen!" sagte das Kind eifrig.
Der Arzt schritt wacker aus, und Babeli hielt gleichen Schritt
mit ihm. Manches fragte der Arzt, und verständig antwortete das
Mädchen. „Wie alt ist Heiri?" fragte sie. „Er ist am 12. Januar 1746
geboren, steht also im fünften Jahre. Er ist ein schwächlich und hä߬
lich Kind," sagte der Arzt mit einem Seufzer. „Hat aber so schöne
Augen und ein liebes Wesen," rief das Mädchen eifrig, und der Arzt
nickte dazu. So erreichten sie den Bauernhof. Der Arzt untersuchte
den verletzten Arm. „Aus dem Kugelgelenk gefallen!" sagte er.
„Zwei Männer müssen kräftig ziehen, damit der Knochen wieder in
seine Pfanne zurückspringt!" Es war aber nur e i n Mann aufzu¬
treiben, da alles im Felde war. „So will ich der zweite sein!" sagte
Babeli. Und tapfer half sie ziehen, also daß ihr der Schweiß aus¬
brach. Der Verletzte stöhnte und ächzte, sie aber sprach ihm Mut
ein. Endlich war alles überstanden, der Arm verbunden und der
Verletzte sicher gebettet.
Der Arzt wollte gehen, gab dem Mädchen die Hand und sagte:
„Du bist eine Brave! Am liebsten nähme ich dich mit. Du könntest
mir schon in meinem Hause passen." „Warum nicht, Herr Doktor?"
rief das Mädchen erfreut. „Ich biw mutterseelenallein in der Welt.
Die Base hat mich um Gottes willen in das Haus genommen, aber
sie braucht mich nicht." „Das paßt ja gut!" sagte der Arzt. „So
schnür dein Bündelchen und komm mit!" Wie ein munteres Reh
sprang Babeli davon, packte ihre Siebensachen in den Korb und sagte
der Base „Behüt's Gott!" — Niemand war froher als Heiri, da das
Babeli wiederkam. Er sprang ihr an den Hals und küßte sie. „Liebs
Babeli, du bist nun unser!" sagte er voll Freude.
Mit dem fremden Mädchen kam ein Geist des Friedens und
Gedeihens in das Haus. Frisch und rasch griff sie ihre Arbeit an.
Auch die schwerste und lästigste scheute sie nicht. Ohne Lärm ging
ihr alles von der Hand. Den Heller hielt sie zu Rate, und keinen