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die meisten Schützen liegen hinter Steingeröll, hinter einer Boden¬
falte oder leeren Geschoßkörben in der prallen Sonne. Die Steine
strahlen solche Hitze aus, daß man es kaum erträgt, ausgestreckt
mit den Armen auf ihnen zu liegen. Der geringsten Bewegung
droht aber sofort die heftigste Beschießung. — Auf dem Verband¬
plätze bei der Wagenburg liegen schon eine Reihe Verwundeter
und einige zurückgebrachte Tote. Die Leichtverwundeten werden
schnell verbunden und kriechen zur nahen Schützenlinie zurück.
— Schon im Laufe des Nachmittags beginnen sich die Wasser¬
säcke und -wagen zu leeren. Gegen 5 Uhr nachmittags wird der
letzte Trunk Wassers gereicht — dann ist's zu Ende, und nun
stellt der schrecklichste Feind südafrikanischer Kriegführung, der
Durst, die Widerstandskraft der braven Truppen auf eine furcht¬
bare Probe. Das Gewehrfeuer erstirbt schließlich, und eine ruhe¬
lose Nacht folgt.
Nun hieß es, jeder zweite Mann dürfe, mit seinem Nebenmann
abwechselnd, schlafen, und die Ermattung ließ in einen Halbschlaf
sinken, aus dem einer hie und da wirr auffuhr. Es konnte etwas
Brot in der Schützenlinie gereicht werden; aber keiner vermochte
es zu schlucken, die Zunge klebte allen am Gaumen. Sehnsüchtig
schauten wir nach den Gewitterwolken, die sich am Himmel zu¬
sammenballten, breiteten Zeltbahnen über schnell ausgeschaufelte
Vertiefungen, stellten jedes erreichbare Gefäß zurecht, legten die
Tropenhüte zum Auffangen einiger Tropfen neben uns; allein der
aufsteigende Wind verjagte die Wolken und unsere Hoffnungen.
Es war wohl niemand, der ohne Gebet dem kommenden Morgen
entgegenharrte.
Bei der ersten Dämmerung des 3. Januars brach der Kampf
mit verstärkter Heftigkeit los. Niemand verhehlte sich an diesem
zweiten Tage die vervielfachte Gefahr. Der Feind war in unver¬
minderter Übermacht in seiner Felsenburg geblieben und wehrte
uns die rettende Wasserstelle. Nach wenigen Stunden brannte
die Sonne wieder unerbittlich herab. Der schwerverwundete Major
von Nauendorf litt unsäglich. Als ihm aber der selbst verwundete
Sergeant Wehinger den letzten Schluck Rotwein aus seiner Feld¬
flasche bot, da wies er den heiß ersehnten Trank mit den Worten
ab: »Trinken Sie das selbst, lieber Kamerad, Sie müssen wohl
noch zu Ihrem Geschütz zurück, mit mir ist’s doch bald aus!«
Es war der letzte Sieg, den der Sterbende errang. Die Schmerzen