Full text: [Teil 3 = Sechstes - Achtes Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 3 = Sechstes - Achtes Schuljahr, [Schülerband])

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die meisten Schützen liegen hinter Steingeröll, hinter einer Boden¬ 
falte oder leeren Geschoßkörben in der prallen Sonne. Die Steine 
strahlen solche Hitze aus, daß man es kaum erträgt, ausgestreckt 
mit den Armen auf ihnen zu liegen. Der geringsten Bewegung 
droht aber sofort die heftigste Beschießung. — Auf dem Verband¬ 
plätze bei der Wagenburg liegen schon eine Reihe Verwundeter 
und einige zurückgebrachte Tote. Die Leichtverwundeten werden 
schnell verbunden und kriechen zur nahen Schützenlinie zurück. 
— Schon im Laufe des Nachmittags beginnen sich die Wasser¬ 
säcke und -wagen zu leeren. Gegen 5 Uhr nachmittags wird der 
letzte Trunk Wassers gereicht — dann ist's zu Ende, und nun 
stellt der schrecklichste Feind südafrikanischer Kriegführung, der 
Durst, die Widerstandskraft der braven Truppen auf eine furcht¬ 
bare Probe. Das Gewehrfeuer erstirbt schließlich, und eine ruhe¬ 
lose Nacht folgt. 
Nun hieß es, jeder zweite Mann dürfe, mit seinem Nebenmann 
abwechselnd, schlafen, und die Ermattung ließ in einen Halbschlaf 
sinken, aus dem einer hie und da wirr auffuhr. Es konnte etwas 
Brot in der Schützenlinie gereicht werden; aber keiner vermochte 
es zu schlucken, die Zunge klebte allen am Gaumen. Sehnsüchtig 
schauten wir nach den Gewitterwolken, die sich am Himmel zu¬ 
sammenballten, breiteten Zeltbahnen über schnell ausgeschaufelte 
Vertiefungen, stellten jedes erreichbare Gefäß zurecht, legten die 
Tropenhüte zum Auffangen einiger Tropfen neben uns; allein der 
aufsteigende Wind verjagte die Wolken und unsere Hoffnungen. 
Es war wohl niemand, der ohne Gebet dem kommenden Morgen 
entgegenharrte. 
Bei der ersten Dämmerung des 3. Januars brach der Kampf 
mit verstärkter Heftigkeit los. Niemand verhehlte sich an diesem 
zweiten Tage die vervielfachte Gefahr. Der Feind war in unver¬ 
minderter Übermacht in seiner Felsenburg geblieben und wehrte 
uns die rettende Wasserstelle. Nach wenigen Stunden brannte 
die Sonne wieder unerbittlich herab. Der schwerverwundete Major 
von Nauendorf litt unsäglich. Als ihm aber der selbst verwundete 
Sergeant Wehinger den letzten Schluck Rotwein aus seiner Feld¬ 
flasche bot, da wies er den heiß ersehnten Trank mit den Worten 
ab: »Trinken Sie das selbst, lieber Kamerad, Sie müssen wohl 
noch zu Ihrem Geschütz zurück, mit mir ist’s doch bald aus!« 
Es war der letzte Sieg, den der Sterbende errang. Die Schmerzen
	        
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