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hemmend in den Weg drängen, im Wogenschwall umschmetternd!
Steig hinab in den Brunnen, wo es geheimnisvoll siedend und bro¬
delnd aufquillt aus der Spalte des Gesteins wie das Blut aus zer¬
schnittener Ader! Steig auch hinab in die Eingeweide der Erde durch
Gruben und Stollen und sieh, wie es da von den Wänden schwitzt
und tropft! Höre es arbeiten, das Pumpwerk, das hier der Mensch
geschaffen, um das ihm auf Schritt und Tritt folgende Wasser zu
bewältigen! Vergegenwärtige dir die großen Wasserbecken, die sich
als Sickerwasser unter meilenweiten Länderstrecken hinziehen, in die
wir Menschen unsre Brunnen hinabsenken, um das lebenschaffende
Element wieder an die Oberfläche zu fördern!
Doch damit nicht genug. Blick auf den weichen Schneemantel,
in den die Winter der gemäßigten Zone unsre Erde hüllen, eine
künstliche Wasserbedeckung schaffend! Schau die Eismassen der Glet¬
scher an, wie sie sich in langsamem Lauf talwärts schieben, Trümmer
und Gestein vor sich auftürmend! Betrachte auch die Eisberge, wie
sie vom Pol herabschwimmen gleich gepanzerten Heerscharen, Kälte
verbreitend über ganze Weltteile, in Massen, die jeder Vorstellung
trotzen! Sieh, wie der Nebel über dich herabsinkt, aus Milliarden von
staubkleinen Wasserkügelchen bestehend; sieh die Wolke, wie sie, vom
Winde getragen, dahinschwebt in der blauen Höhe, und die schwarze
Wolkenwand, aus der das Wetter leuchtet, der Donner rollt und der
Hagel schießt, aus der der befruchtende Regen quillt und der ver¬
derbenbringende Wolkenbruch! Aber was dein Auge nicht wahr¬
nimmt, das ist jener Wasserdampf, der unsichtbar die ganze Atmo¬
sphäre durchdringt in allen möglichen Sättigungsgraden, als Ge¬
witterschwüle, die den Schweiß aus den Poren treibt, als leichte,
elastische Frühlingsluft, die durch ihren Feuchtigkeitsgehalt die Nerven
stärkt, die Sinne schärft und das Blut rascher durch die Adern treibt.
Und in dir selbst, in deinen eigenen Gebeinen, durch Muskeln
und Knochen, Gehirn und Eingeweide geht ein ununterbrochener
Wasserstrom, lösend, mischend und führend alle die Stoffe, die dich
zusammensetzen. In den Saftgefäßen der Pflanzen wogt und steigt
es auf und nieder, von der Wurzel gesogen, von den Blättern aus¬
gehaucht. Kurz, wohin du dich wendest, von den Höhen des Himmels
bis hinab in die Eingeweide der Erde, durch Fels und Gestein, die
es als „Bergfeuchte" durchtränkt, durch das ganze Reich der Pflanzen
und Tiere, überall ist das Wasser, alles durchdringend, lösend, Be¬
wegung schaffend und selbst bewegt. Gustav Jäger.