2
2
5208
gegenüber auf eine Bank. Die Königin, durchs Fenster blickend,
weinte und flehte Etzels Mannen um Rache an Hagen. Vierhundert
wappneten sich; die Krone auf dem Haupte kam sie mit dieser Schar
die Stiege herab. Der übermütige Hagen legte über seine Beine ein
lichtes Schwert, aus dessen Knopf ein Jaspis schien, grüner denn Gras;
wohl erkannte Chriemhild, daß es Siegfrieds war. Auch Volker zog
seinen Fiedelbogen an sich, so nannte er sein langes und starkes Schwert
Furchtlos saßen sie da, und keiner stand auf, als die Königin ihnen vor
die Füße trat. Sie warf Hagen vor, daß er ihren Mann erschlagen;
da sprach Hagen laut aus, daß er es getlan, räch' es, wer da wolle!
Die Hunnen sahen einander an und zogen ab, den Tod fürchtend.
König Etzel, von all dem nichts wissend, empfing und be—
wirtete die Helden aufs beste. Zur Nachtruhe wurden sie in einen
andern Saal geführt, wo kostbare Betten bereitet waren. Hagen
und Volker hielten vor dem Hause Schildwacht. Volker lehnte den
Schild von der Hand, nahm die Fiedel und setzte sich auf den Stein
an der Türe. Seine Saiten erklangen, daß all das Haus ertoste;
süßer und süßer ließ er sie tönen, bis alle die Sorgenvollen ent—
schlummert waren. Mitten in der Nacht glänzten Helme aus der
Finsternis; es waren Gewaffnete von Chriemhild geschickt; doch als
sie die Tür so wohl behütet sahen, kehrten sie wieder um. Am
nächsten Vormittag, ehe sie zu Tische saßen, suchte Chriemhild Diet—
richs Hilfe, doch er verwies ihr den Verrat an ihren Blutsfreunden.
Williger fand sie Blödel, Etzels Bruder. Der zog mit tausend Ge—
wappneten zur Herberge, wo Dankwart, Hagens Bruder, der Mar—
schalk, mit den Knechten speiste. Nach kurzem Wortwechsel sprang
Dankwart vom Tisch und schlug ihm einen Schwertschlag, daß ihm
das Haupt vor den Füßen lag. Ein grimmiger Kampf erhob sich.
Die Hälfte der Hunnen wurde erschlagen; aber andere zweitausend
kamen und ließen nicht ab vom Streite, bis alle die Knechte tot lagen.
Dankwart allein hieb sich zum Saale durch, wo die Herren speisien.
Eben wurde Ortlieb, Etzels junger Sohn, seinen Oheimen zu Tische
getragen. Da trat Dankwart in die Tür, mit bloßem Schwerte, all
sein Gewand mit Hunnenblut beronnen. Laut rufend verkündeie er
den Mord in der Herberge. Hagen hieß ihn der Türe hüten, daß
kein Hunne herauskomme. Dann schlug er das Kind Ortlieb, daß
sein Haupt in der Königin Schoß springt. Furchtbarer Kampf ent—
brannte nun. Chriemhild rief Dietrichs Hilfe an; dieser verlangte,
daß man ihn und die Seinigen mit Frieden aus dem Hause lasse.
Gunther gewährte es. Da nahm der Berner die Königin unter dem
Arm, an der andern Seite führte er Etzeln, mit ihm gingen sechs—
hundert Recken. Auch Rüdiger mit seinen Mannen räumte unge—
fährdet den Saal. Was von Hunnen im Saale war, wurde nieder—
gehauen. Die Toten wurden die Stiege hinabgeworfen. Bis zum
Abend währte der harte Streit; dann war es stille, das Blut floß durch