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weihte Kapellen und eigene Priester. Vier Klöster der Bettelorden
gibt es hier, die weit entfernt vom Betteln sind; die Schotten, die regu-
l;erten Chorherren des h. Augustin werden für sehr reich gehalten.
Auch gibt es hier Nonnenklöster und heilige Genossenschaften von
Jungfrauen. Es befindet sich daselbst auch ein Kloster, das zum h. Hiero-
nymus heißt,*) und in welches reuige Sünderinnen aufgenommen wer-
den: diese singen bei Tag und Nacht Hymnen in deutscher Sprache.
Wird eine von ihnen aber als rückfällige Sünderin ertappt, so stürzt
man sie in die Donau. Sie führen aber dort ein keusches und heiliges
Leben, so dass man von ihnen selten etwas Schlechtes hört.
Auch eine neue, vom Papste genehmigte Schule der freien Künste,
der Theologie und des Kirchenrechtes, zu welcher eine große Anzahl
von Studenten aus Ungarn und Oberdeutschland herbeiströmt, befindet
sich hier. Zwei ausgezeichnete Theologen haben an derselben, wie ich
erfuhr, gelehrt. Der erste war Heinrich von Hessen,°) der in Paris
seine Studien beendigte und hieher bei der Gründung der Universität
seine Schritte lenkte, auch der erste Rector war und sehr viele be-
merkenswerte Bücher schrieb. Der zweite war der Schwabe Nikolaus
von Dinkelsbühel,%) ein Mann von sittlichem Lebenswandel und be-
rühmt wegen seines großen Wissens; seine Reden werden von den
Gelehrten noch heute begierig gelesen. Heutzutage lehrt an der Schule
Thomas von Haselbach,‘) ein gerühmter Theologe, der eine nicht
unbrauchbare Geschichte geschrieben haben soll; seine Gelehrsam-
keit würde ich loben, wenn er nicht 22 Jahre über das erste Capitel
des Isaias gelesen hätte, ohne bis jetzt noch das Ende zu finden.
Der größte Fehler dieses Gymnasiums®) ist der, dass sie zu lange
Zeit ihre Mühe auf die Dialectik verwenden und so zuviel Zeit mit
einer wenig fruchtbringenden Sache vergeuden. Diejenigen, welche
mit dem Titel eines Magisters der freien Künste geschmückt werden,
prüft man vornehmlich aus dieser einen Kunst, Im übrigen widmen
sie weder der Musik. noch der Rhetorik, noch der Metrik ihre Sorg-
falt, obwohl sie den Bewerber um die Magisterwürde verhalten einige
Verse und von anderen verfasste Episteln vorzutragen. Die Kunst
der Beredsamkeit und der Poesie ist ihnen, die alles Studium auf die
4) War von Albrecht II. gestiftet worden; gieng 1525 ein. 5) Geboren
zu Langenstein in Hessen im Jahre 1325, studierte in Paris und wurde 1383 nach
Wien berufen. Er war einer der größten Gelehrten seiner Zeit und der geistige
Vater der Wiener Universität. %) Starb 1433. Einer der berühmtesten Gelehrten
ınd eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Hochschule. Ein sehr gewandter
Kanzelredner und Diplomat. 7) Siche Nr. 21. % So nannte man in der Huma-
nistenzeit jede höhere Schule.