Full text: [Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband])

233 
zu: „Wer will mich einzunehmen versuchen? Nur zweimal im 
Laufe der Jahrhunderte haben die Franzosen mich besessen — durch 
Überrumpelung und Verrat. Zuerst war's im Dreißigjährigen 
Kriege; doch der tapfere Jan von Werth, ein Sohn des Rhein— 
landes, hat mich befreit; er schloß mich samt den Feinden ein, hun— 
gerte sie aus, gab ihnen ein teuer bezahltes Abschiedsmahl von 
Mäusen, Esel- und Hundefleisch und ließ sie abziehen. Zum zweiten 
Male besaßen mich die Franzosen in der unglücklichen Zeit der 
Uneinigkeit, Zerbröcklung und Ohnmacht unsers Vaterlandes von 
1794 bis 1814. Heute diene ich zum Schutze dem neuen Deutschen 
Reiche, dessen ruhmreicher Gründer, ein Hohenzoller, mir gegenüber 
auf dem Deutschen Eck hoch zu Rosse die Rheinwacht hält.“ 
Die Westerwaldhöhen rufen: „Hier erlagen zahlreiche Chri— 
sten dem Hunnenschwerte, als Attila im Jahre 450 Deutschland und 
Frankreich verheerend durchzog. Später drang der Sachsenherzog 
Wittekind mit seinen Kriegern bis hierher gegen Karl den Großen 
vor. Zur Zeit Heinrichs J. plünderten hier Ungarn, deren Haupt— 
heer bei Worms über den Rhein setzte.“ 
Die Ebene der linken Rheinseite von Coblenz-Lützel bis Wei— 
ßenthurm erzählt: „Hier loderten unter Karls des Dicken Regie— 
rung die Verheerungsflammen der Normannen. Hier ordnete Ru— 
dolf von Habsburg seine Streiter, als er gegen die Raubritter am 
Rhein und an der Mosel zog. An meinem Südende, nahe am 
Petersberge zu Coblenz-Lützel, steht das Grabmal des französischen 
Feldherrn Marceau, der 1794 die Revolutionsarmee in die rheini— 
schen Lande führte. Am Nordende meines Beckens, bei Weißen— 
kthurm, erhebt sich das Denkmal des französischen Generals Hoche, 
der 1796 die Gefilde um Neuwied mit französischem und deutschem 
Blute tränkte. Tausende von Leichen wurden im Laufe der Zeiten 
in meinen Feldern begraben, wo heute üppiges Getreide wächst. 
Des Krieges Brandgluten haben weithin die Gegend gerötet, die 
heute vom Lichte der Frühlingssonne bestrahlt wird.“ 
Zu schnell eilt Dampfer „Rheingold“ weiter. Schon naht er 
dem Städtchen Andernach. Hier, wo die Andernacher Pforte das 
Becken abschließt, wo der römische Feldherr Cäsar ungefähr im Jahre 
50 v. Chr. eine Holzbrücke über den Rhein schlug, um in das innere 
Deutschland vorzudringen, erwache ich aus meinen geschichtlichen 
Träumen. Steile Berge im frischen Grün und das Farbenspiel im 
Stromspiegel fesseln mein Auge. Bald legt der Dampfer in Rema— 
sen an. Ich durcheile den Ort und suche nach dem Museum; 
denn ich habe gehört, daß dort viele geschichtliche Denkmale aus den 
frühesten Zeiten der Besiedlung der Rheinufer gesammelt sind.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.