Full text: [Teil 2 = Mittel- und Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Mittel- und Oberstufe, [Schülerband])

317. Otto v. Bismarck. 
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Rechte seines Königs, trat er deswegen auch für die Neuordnung des Heeres 
ein, weil Preußen stark sein mußte, um die ihm gebührenden Aufgaben für 
sich und damit für das deutsche Volk durchzuführen. 
Bismarck war gleich gewaltig an Leib wie an Geist. Eine Hünengestalt, 
ein echter deutscher Recke, schwer und breitschulterig, das mächtige Haupt stolz 
erhoben, aus den stark überbuschten Augen feurig blickend, sah er wie ein 
Krieger aus, und mit Vorliebe trug er in seinen späteren Jahren die Kürassier— 
uniform. In der Tat war er auch ein unerschrockener Kämpe, die Gefahr 
wägend, dann furchtlos wagend, der vorsichtig ausbog, um desto entschlossener 
vorzugehen, und sich nicht überraschen ließ; denn stets hatte er alle Möglichkeiten 
erwogen und war schlagfertig für jeden Fall. Auch in Herz und Sinn ein 
rechter Deutscher, war er stolz auf die Kraft des Volkes, dem er angehörte, 
und verzweifelte nie an dem Siege des gesunden Sinnes. Gern nahm er an 
den Freuden des Lebens Anteil, Feld und Wald waren ihm der liebste Aufent— 
halt. Zu seinem Könige hielt er wie ein Gefolgsmann der alten Zeit, in 
persönlicher Treue und ehrfurchtsvoller Liebe, und in seinem Herrn erblickte er 
zugleich den Hort des gesamten Vaterlandes. 
Mit starker Leidenschaft ausgerüstet, fühlte Bismarck leicht in sich die 
deutsche Wut entbrennen, und dann konnte er hintreten mit furchtbarer Gewalt. 
Seine Rede floß nicht glatt, sondern wuchtig dahin, bald die Einwürfe der 
Gegner vor sich hinstoßend wie ein Wildbach die Felsblöcke, bald die schwierigsten 
Fragen mit unentwegter Ruhe behandelnd. Reich an Bildern, an glücklich und 
geistreich ergriffenen Beispielen aus Geschichte und Leben, trafen seine Worte 
sicher und fest. Ebenso glänzend waren die diplomatischen Noten. Oft sprach 
der Verfasser seine Absichten mit verblüffender Offenheit aus, ganz anders als 
man es in der Politik gewohnt war. Er konnte so sprechen und schreiben, 
weil er die Dinge erkannte und beherrschte wie kaum je ein Staatsmann. 
Sein Sinn war auf den Kern gerichtet, der Schein blendete ihm den klaren 
Blick nicht. Nicht auf Reden, sondern auf die machtvolle Tat kam es ihm an. 
Daher überwand er in sich den Grundfehler der Deutschen. Bismarck hat 
einmal gesagt, er habe von Natur mehr das Bedürfnis nicht zu gehorchen als 
zu herrschen besessen, und derselbe Zug hatte die Deutschen politisch herunter— 
gebracht. Er aber erkannte, daß ohne Macht, ohne feste Leitung, ohne Ein— 
sicht nichts zu tun sei. Daher hielt er fest an der königlichen und staat— 
lichen Autorität als dem eigentlichen Grunde alles politischen und wirtschaft— 
lichen Bestandes; darum wußte er auch, daß Deutschland nicht mit schönen 
Hoffnungen, sondern nur mit Blut und Eisen geeinigt werden konnte. 
Theodor Lindner. 
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