Full text: [Teil 2 = Mittel- und Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Mittel- und Oberstufe, [Schülerband])

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73. Srau Holle. 
und schüttelte, bis keiner mehr oben war; und als es alle in einen Haufen 
zusammengelegt hatte, ging es wieder weiter. Endlich kam es zu einem 
kleinen Hause, daraus guckte eine alte Frau; weil sie aber so große Zähne 
hatte, ward ihm angst, und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief 
ihm nach: „Was fürchtest du dich, liebes Kind? Bleib' bei mir, wenn du 
alle Arbeit im Hause ordentlich tun willst, so soll dir's gut gehn. Du mußt 
nur achtgeben, daß du mein Bett gut machst und es fleißig aufschüttelst, daß 
die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; ich bin Frau Holle!“ 
Weil die Alte ihm so gut zusprach, so faßte sich das Mädchen ein Herz, 
willigte ein und begab sich in ihren Dienst. Es besorgte auch alles nach ihrer 
Zufriedenheit und schüttelte ihr das Bett immer gewaltig auf, daß die Federn 
wie Schneeflocken umherflogen; dafür hatte es auch ein gut Leben bei ihr, 
kein böses Wort und alle Tage Gesottenes und Gebratenes. 
Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle, da ward es traurig 
und wußte anfangs selbst nicht, was ihm fehlte. Endlich merkte es, daß 
es Heimweh war; ob es ihm hier gleich viel tausendmal besser ging als zu 
Haus, so hatte es doch ein Verlangen dahin. Endlich sagte es zu ihr: „Ich 
habe den Jammer nach Haus gekriegt, und wenn es mir auch noch so gut 
hier unten geht, so kann ich doch nicht länger bleiben, ich muß wieder hinauf 
zu den Meinigen.“ Die Frau Holle sagte: „Es gefällt mir, daß du wieder 
nach Hause verlangst, und weil du mir so treu gedient hast, so will ich dich 
selbst wieder hinaufbringen.“ Sie nahm es darauf bei der Hand und führte 
es vor ein großes Tor. Das Tor ward aufgetan, und wie das Mädchen 
gerade darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und alles Gold blieb 
an ihm hängen, so daß es über und über davon bedeckt war. „Das sollst 
du haben, weil du fleißig gewesen bist!“ sprach die Frau Holle und gab 
ihm auch die Spule wieder, die ihm in den Brunnen gefallen war. Darauf 
ward das Tor verschlossen, und das Mädchen befand sich oben auf der Welt, 
nicht weit von seiner Mutter Haus; und als es in den Hof kam, saß der 
Hahn auf dem Brunnen und rief: „Kikeriki, unsere goldene Jungfrau ist 
wieder hie!“ Da ging es hinein zu seiner Mutter, und weil es so mit Gold 
bedeckt ankam, ward es von ihr und der Schwester ganz gut aufgenommen. 
Das Mädchen erzählte alles, was ihm begegnet war, und als die 
Mutter hörte, wie es zu dem großen Reichtum gekommen war, wollte sie 
der andern häßlichen und faulen Tochter gerne dasselbe Glück verschaffen. 
Sie mußte sich an den Brunnen setzen und spinnen, und damit ihre Spule 
blutig ward, stach sie sich in den Finger und stieß sich die Hand in die Dorn— 
hecke. Dann warf sie die Spule in den Brunnen und sprang selber hinein.
	        
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