115
ich fast zu Boden falle, zum Hause hinaus. Aber ich wende
mich um, und jetzt renne ich dem Buchhalter gerade auf die
Brust. Ich wende mich wieder ab und springe die Treppe
hinauf, und ,1187 Gulden 30 Kreuzer bin ich schuldig!* schrei’
ich der Witwe zu, die oben an der Treppe steht.
Ich habe der Witwe bei Heller und Pfennig meine Schuld
bezahlt. Das tröstet mich jetzt, und das nehme ich mit ins
Grab.“
101. Der Fluch des Bösen. von Erwin Gros.
Œs war im Hasen VON Hamburg. Ein großer Dampfer rüstete zur
Bbfahrt. Dem gewaltigen Schornstein entströmte dichter Ljualm.
Das Schiff zitterte leise wie ein edler Nenner, der dem Zwange der
Zügel entrinnen und dahinstürmen möchte, ñus dem verdeck standen
die Passagiere Kopf an Kops und schauten landwärts, welche Mannig¬
faltigkeit von Gefühlen im Gewirr der Gesichter! hier Langeweile
und Gleichgültigkeit, dort Staunen und Bewunderung; hier Freudig¬
keit, dort Ñngst; hier leis aufquellendes Heimweh, dort tränenreicher
Scheideschmerz.
Ñn der Brüstung, dem Strome zugewandt, stand ein junger Mann.
Seine Bugen schauten düster auf die bewegte Wasserfläche. Er schien
der Bußenwelt ganz entrückt, plötzlich fuhr er jäh herum. Neben
ihm waren im Flüstertöne die Worte gesprochen worden: „Da sind
zwei Herren von der Berliner Polizei." Leichenblaß wurden seine
Wangen. Einen raschen Blick warf er nach der Landungsbrücke, dann
ging er eilig hinab zum Zwischendeck. Gleich daraus ertönte ein viel¬
stimmiger Bus: „Mann über Bord, Hilfe!" wilde Bewegung aus dem
Schiffe! Ein Boot fährt rasch heran. Umsonst — nach langem Suchen
zieht man einen toten Mann aus dem gurgelnden Wasser. —
Zur selben Stunde sitzt auf einem Dorskirchhofe in den Thüringer
Bergen eine alte Frau an einem Grabe. Es ist das Grab ihres
Mannes, wohin soll sie sonst gehen in ihrem Leide? Es ist ihr, als
müsse sie Trost bekommen hier, wo er schlummert, der einst ihre Stütze
war. „wie gut, Gottfried, daß du das nicht erlebt hast, du hättest
es nicht ertragen!" Leise flüstern's ihre Lippen. Dabei hält sie das
kalte Grabkreuz umfaßt; Träne auf Träne rollt über die runzligen
Wangen, worüber weint die alte Frau?
Sie hatten einen Jungen. Ihr ganzes herz gehörte diesem
einzigen. „Er ist zu gescheit zum Bauern", sagte sein Pate aus dem
Städtchen, und die Eitelkeit der Mutter bejahte diesen törichten Satz.
Der Junge kam in die Stadt, viel Geld wandte seine Mutter daran,
8*