M DD DVVJV 159
denn er ist zornig, aber doch bald wieder gut, und ich lerne viel bei
ihm. Ihr könntet ihm einmal einen Schinken schicken, daß er mich nicht
so arg plagt.“
So strichen die Monate hin, und eine besondere Herzstärkung sollte
der Leutnant empfangen, als es im Winter in den Unterricht ging.
Da machte er die Erfahrung des westfälischen Schulmeisters vom zer—
brochenen Rädlein auch durch. Er hatte es so ziemlich aufgegeben, seine
Schüler auf eine höhere Stufe der Wissenschaft zu bringen, als plötzlich
sich die Wolken zusammenzogen — diesmal nicht auf der Stirn des
Leutnants, sondern am Völkerhimmel — und wie ein Wetter aus 10
heiterer Luft die Kriegserklärung im Jahre 1870 kam.
Der Leutnant war zum Besuch bei seinen Eltern, als die Kunde
eintraf. Hochklopfenden Herzens hörte der junge Mann die Botschaft.
Am Abend vor dem Abschied nahm der alte Freiherr seinen Sohn,
zeigte ihm die Bilder der Ahnen, sein Eisernes Kreuz aus dem Jahre 15
1813 und noch ein Stück des Lorbeerkranzes, den er einst bei der Heim—
kehr empfangen. „Nimm meinen Säbel mit, mein Sohn,“ sagte er
und gab ihm das Gehänge, „und denke an deinen Vater, an König und
Vaterland!“ Was die Mutter ihm sagte, das lag alles im Blick und in
der segnenden Hand auf seinem Haupte. „Hab Geduld mit dir und ?0
mit den Rekruten!“ sagte sie ihm noch ins Ohr. Er eilte zum
Regiment.
Auch zu unserm Westfalen kamen die Seinen, um Abschied zu
nehmen. Sie hatten noch viel mitgeschleppt, so daß er reichlich unter die
Kameraden verteilen konnte. Als aber der Trompeter das Signal zum 25
Sammeln blies, da mußte geschieden sein, Eltern und Sohn küßten sich
und weinten zusammen, und beim Scheiden sagte die Mutter leise:
„Hermann, bete nur, daß du's recht machst vor Gott und Menschen und
auch vor dem Leutnant! ——
2.
30
Die Heimat lag schon weit zurück, über den Rhein war's ge—
gangen, die ersten Siege waren erfochten, als die heißen Tage des
14, 16. und 18. August auch unsere tapferen Reiter ins Feuer
brachten
Es war in der Schlacht bei Vionville. Es galt, die breite Lücke, 35
die zwischen den Divisionen Buddenbrock und Stülpnagel eingerissen
war, zu füllen und dem Stoße des Feindes zu begegnen. Und sie sausten
heran, die Reiter, in geschlossenen Reihen wie Wetterwolken, ihre
geschwungenen Säbel wie die zackigen Blitze zwischendrein, und hinein
ging's in die französischen Regimenter. Das erste Karree wurde nieder—
geritten, das zweite auch. Aber immer neue Scharen feindlicher
Bataillone tauchten auf, und die Batterieen, durch die sie gedeckt waren,
4