160d
spieen Tod und Verderben unter die preußischen Reiter. Sie mußten
zurück. Da brachen noch zu allem Überfluß aus einem Hinterhalt
französische Kürassiere und Dragoner hervor. Es galt, sich durchzu—
schlagen, der Leutnant geriet abseits, und flugs waren etliche feind—
liche Reiter an ihm. Er focht im Einzelkampf gegen sie, bald an ihnen
vorbeijagend, bald um sich hauend. Aber sein Arm wurde müde,
sein Auge umdunkelte sich, er befahl Gott seine Seele, nahm Abschied
im Geiste von den Eltern und dem väterlichen Schlosse mit seinen grünen
Bäumen — — da, im Augenblick der höchsten Not, wo die Feinde
schon dicht hinter ihm sind, saust ein preußischer Reiter heran, daß der
Boden dröhnt. Hinter einer Mauer hatte er sich bei dem Rückzug
verdeckt gehalten und wollte die Rückkehr der Franzosen abwarten,
da hört er Schwerter klirren. Er sieht den Leutnant umringt, in
Todesnot, gibt seinem Pferde die Sporen, setzt über den Graben und
ist den feindlichen Reitern am Wamse. Den einen haut er herunter zur
Rechten, den andern zur Linken über das Gesicht, daß ihm das Sehen
verging — die andern machten Kehrt. Der Leutnant fühlt freie
Lust hinter sich — wer mag der rettende Engel sein? Er bringt sein
schäumendes Roß zum Stehen, und hinter ihm hält — der dumme
20 Rekrut, sein Schmerzenskind, das freudestrahlend ihm entgegenruft:
„Herr Leutnant, hab' ich's nun recht gemacht?“ Der Leutnant
will eben anheben zum Lobe, das zum erstenmal von seinen Lippen
kommen soll, aber noch ehe er ein Wörtlein gesagt, da pfeift es aus dem
nahen Gebüsch, und den treuen Westfalen trifft die tödliche Kugel durch
25 den Helm mitten in die Stirn, daß er lautlos vom Pferde sinkt.
Das war das Werk eines Augenblickes. Weinend wirft sich der
Leutnant über den Gefallenen und ruft ihm in die Ohren: „Ja, ja,
treue Seele, das hast du recht gemacht!“ Der hörte es freilich
nicht mehr; aber das Lob ist hinaufgeklungen zum Himmel und hinein—
zo gefallen in die Wagschale des ewigen Richters, der die Treue auf Erden
ansieht.
Wenige Tage darauf, als die gewaltigen Siege errungen waren,
ward der Leutnant mit seiner Schwadron auf Patrouille geschickt.
Sie reiten an einem Gehölz vorbei, es kracht hinter den Bäumen —
Franktireurs sind's, die sich im Walde versteckt halten. Der Leutnant
sprengt mit geschwungenem Säbel in das Gehölz; aber noch ehe er
zum Streiche ausholen kann, sinkt er tödlich getroffen vom Pferde.
Wohl säubern die Kameraden das Gehölz, und keiner der Feinde
entrinnt; aber den Gefallenen weckt niemand wieder auf: als ihren
10 einzigen Toten bringen sie ihn zurück.
So ruhen sie denn beide — Rekrut und Leutnant — im kühlen
Schoße von Frankreichs Erde, sind im Frieden voneinander geschieden,
sind einander noch froh geworden in dieser Welt.
35