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den eine Leipziger Dame ihr gesandt hatte, und betete und arbeitete;
sie betete für ein holdes Mägdlein, das seine ganze Sparbüchse ge¬
opfert, für einen Mann, der sie um Fürbitte ersucht hatte, damit er zu
gleicher Glaubensstärke und Gebetssreudigkeit gelangen möchte; sie ar¬
beitete mit jugendlicher Kraft, seit ihr eine Gräfin im Geiste die Hand
gedrückt und sich für die übersandten 50 Taler einen Zoll Spitzen
von ihrer Hand ausgebeten hatte. Die Hausfrau zeigte sich fröhlich
und voll Dankes gegen Gott, daß nun alle die drückenden Schulden
bezahlt waren, und daß der Liebling, die verkaufte Kuh, wieder im
Stalle stand. Der Pfarrer wollte sie gern in das Krankenhaus nach
Dresden bringen, um dort ihre Heilung versuchen zu lassen, aber sie
weigerte sich, die Hütte und die Ihrigen zu verlassen. Der Blinde hatte
seine größte Freude über den prächtigen Kirchenrock, den ihm ein Wohl¬
täter gesandt hatte, und der ihm trefflich paßte. Vom Gelde wollte
er nichts. „Mir ist's nichts nütze," sprach er, „schaffen Sie mir nur
Holz, daß ich arbeiten kann; für alles Übrige lasse ich meinen Gott
sorgen. Nur eins bitte ich," fuhr er fort, „lassen Sie mir von dem
Gelde so viel zukommen, daß ich den Turm der Schule in Schmalz¬
grube, wo durch eine himmlische Antwort der Gedanke zu meiner
Rettung entstanden ist, mit einer Betglocke versehen lassen, daß ich die
Kirche, mein Liebstes auf Erden, bedenken und der Ortsarmenkasse er¬
setzen kann, was sie an mir getan hat." Die Freude war groß, daß
durch die zurückerlangte Kuh der Kaffee wieder mit Milch genossen
werden konnte. Am Sonntage Sexagesimä aßen sie zum ersten Male
Reis mit Rindfleisch, da ein junger Kaufmann alles dazu geschenkt
hatte. Sonst aber änderten sie nichts in ihrer Lebensweise. Der Blinde
hobelte mit Eifer an seinem Holze. „Jst's denn Tag," sprach er bis¬
weilen, „und wache ich denn wirklich? Oder ist's Nacht, und träume
ich nur so schön?" Runkwitz, Kinderschatz.
347. Mit Gott!
1. Mit Gott! — das ist ein schönes Wort, —
Da wandert man so fröhlich fort
Und fragt nach Brücke nicht und Steg; —
Mit Gott! — man findet seinen Weg.
2. Dies Wort ist wie ein Wanderstab;
Man geht den Berg hinauf, hinab,
Das Feld hindurch, den Wald entlang,
Und graut die Nacht, man wird nicht bang.
3. Im Graun der Nacht, im Windgebraus,—
Man weiß sich doch im Vaterhaus,
Sorgt nicht am Kreuzweg allzuviel,
Man geht mit Gott und kommt ans Ziel.