425
den Wald kamen, schlug der Blitz vor dem Landgrafen krachend in
eine Eiche und zerschmetterte sie. Das Roß des Landgrafen sank er¬
schrocken in die Knie, und der Landgraf fiel zu Boden. Da sprengten
die Begleiter heran und riefen: „Ach, Ihr seid doch nicht beschädigt,
gnädiger Herr? Ihr habt doch kein Unglück erlitten, gnädigster
Herr?" — Aber der Landgraf stand auf, deutete mit der Hand gen
Himmel und sprach: „Was nennt Ihr mich Herr? Der da oben
donnert, ist der Herr, und er ging im Wetter gnädig an mir vorüber."
351. Die Wege der Vorsehung.
Ich dachte, erzählte einst Hans Sachs, abends vor dem Einschlafen
über die Wege der Vorsehung nach und hatte darauf in der Nacht
folgenden Traum: Ich hatte mich in einem dunkeln Walde verirrt und
fand keinen Ausweg. Ich rief um Hilfe. Da bot sich mir ein Be¬
gleiter dar, der sich für einen Engel Gottes ausgab, gesandt, mir die
Wege der Vorsehung zu zeigen. Er brachte mich aus dem Walde in
ein Wirtshaus, wo der Wirt uns sehr gut aufnahm. Er sagte, er habe
heute einen frohen Tag, sein Feind habe sich mit ihm versöhnt und ihm
zum Unterpfande der Versöhnung einen silbernen, inwendig vergoldeten
Becher geschenkt. Wir gingen fort, und mein Engel stahl ihm den Becher.
Ich zürnte, aber er sprach: „Schweig, und ehre die Wege der Vorsehung!"
Ich schwieg, und wir kamen an ein Haus, dessen grundböser Wirt
uns alles zu leide tat. Wir machten uns bald fort, und beim Ab¬
schiede schenkte der Engel dem schändlichen Manne den herrlichen
Becher. Ich tadelte, ich zürnte, aber er sprach: „Schweig, und ehre
die Wege der Vorsehung!" Wir kamen zu einem Wirte, in dessen Hause
Armut und Not herrschte. Er war ein guter Mann, aber durch Un¬
fälle um das Seinige gekommen. In acht Tagen sollte ihm das Haus
genommen werden. Beim Fortgehen brannte ihm der Engel das Haus
über dem Kopfe an. Ich zürnte, aber der Engel sprach zum dritten
Male: „Schweig, und ehre die Wege der Vorsehung!" Endlich kamen
wir zu einem Wirte, der seine Freude an seinem einzigen Sohne, einen:
aufblühenden Knaben, hatte. Der Engel sagte, er wisse den Weg nicht.
Der Wirt gab ihm den Sohn als Wegweiser mit, und der Engel —
ersäufte ihn im vorbeifließenden Strome. „Nein," schrie ich, „keinen
Schritt mehr mit Dir! Ein Teufel magst Du sein, aber kein Engel!"
Da umstrahlte ihn himmlisches Licht, und er rief: „Toren nur
tadeln den Ewigen! Der Becher war vergiftet, darum ward er dem
Guten genommen zu seinem Heile, dem Bösen gegeben zu seinem Ver¬
derben. Unter der Asche seines Hauses findet der Verunglückte einen
Schatz, und der Brand verhilft ihm zu Wohlstand und Segen. Vater