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12. Geiz ist die Wurzel alles Übels.
1. Die Jahre 1779, 1780 und 1781 waren rechte Wasser- und
Hnngerjahre. Damals lebte in der Odergegeud ein Mann, dessen Feld
war Höhenland und hatte gut getragen, und es war groß, so daß er
eine gewaltige Masse von Roggen in der Scheuer und endlich auf dem
Boden hatte. Hoch waren die Preise schon im Herbst. Mit dem Winter
und dem Frühjahr stiegen sie immer höher. Mancher Handelsmann
klopfte an die Tür des Reichen,- mancher Handwerker bettelte, er möchte
ihm doch für gutes Geld ein Scheffelchen ablassen. Alle aber wurden
abgewiesen mit der Antwort: „Ich habe mir einen Satz gemacht,- der
Boden ivird nicht eher geöffnet, als bis der Scheffel vier Taler kostet.
Dabei bleibe ich!" Zum Zeichen hatte er an die Bodentür eine große,
schwarze 4 mit Kohle gemalt.
2. Der Winter verging, der Mai tarn heran, und die Preise waren
noch gestiegen- beim die Fluten hatten großen Schaden getan. Am 7. Mai
kam ein armer Leinweber, ein ehrlicher Meister aus dern Orte. Sein
Gesicht sah vor Hunger und Grämen selber aus wie graue Leinwand.
Er zählte ihm, damit der reiche Mann Geld sähe, für einen Scheffel
3 Taler 22 Groschen auf den Tisch. Die 22 Groschen bestanden aus
Dreiern, Sechsern und Groschen, denn der Mann hatte alles Geld zu-
sammengesucht. Aber der Bauer sprach: „Euer Aufzählen hilft Ellch
nichts, der Scheffel kostet vier Taler,- das ist mein Satz. Eher tue ich
meinen Boden nicht auf. Und dann muß es ordentliche Münze sein und
nicht so zusammengesuchtes Geld." Des Bauern Söhnlein, ein Bürschchen
von zehn Jahren, zupfte den Alten am Rock: „Vater, gebt's ihm doch!"
Aber der Vater prägte ihm mit einem Rippenstoß andre Grundsätze
ins Herz. Der Weber mußte sein Geld zusammenstreichen und heim¬
wandern.
3. Den 8. Mai in der Abenddämmerung kam die Zeitung an. Ein
Blick hinein, und der Bauer fand, was er finden wollte: „Roggen vier
Taler." Da zitterten ihm die Glieder vor Freude. Er nahm ein Licht,
ging mtf den Boden und wollte iibersehen, wieviel er wohl verkaufen
könnte, und überschlagen, wie groß seine Einnahme wäre. Indem er
so durch die Haufen und gefüllten Säcke hinschreitet, strauchelt er über
einen umgefallenen Sack und fällt selber- das Licht fliegt ihm aus der
Hand und in einen Haufen Stroh, der daneben liegt. Ehe er sich auf¬
raffen kaun, steht das Stroh in hellen Flammen. Ehe an Hilfe zu
denken ist, hat das Feuer Dachstuhl und Dielen ergriffen. Um Mitter¬
nacht an demselben Tage, wo der Scheffel Roggen vier Taler galt,
wo der Bauer auf seinen Satz gekommen war und seinen Boden ge¬
öffnet hatte, stand er am Schutthaufen seines ganzen Gutes als ein
armer R7anu. D. Friedrich Ahlseid. lKalechismuspredigleii,>