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Es ist eins
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, mit seinem Führer: ein Wille beherrscht beide; ein Held sind
Roß und Reiter zusammen. Das Roß ist des Reiters Schild; es ist sein
Pfeil, yrit dem er zugleich in die Reihen der Feinde trifft. Des Rosses
Mähne flattert, eine schwarze Todesfahne, dem blinkenden Schwerte des
Reiters ivoran. Es steht vor der Lanze, aber es zittert picht, bleibt be¬
sonnen, ' unerschrocken und fest wie ein Fels mitten im Rauch und im
Donner des Geschützes. Nicht das Getümmel, nicht das Sausen der
Kugeln, nicht das Klagen der Wunden und Sterbenden machen es wanken.
Ist sein Führer gefallen, so stellt es sich in die Reihen der Genossen.
Es stürzt glleffr ln das Gewitter der Schlacht. Und bluten ihm selber
tiefe Wunden, nimmer vernimmt man von ihm einen Klageton, nimmer
ein Zeichen des Schmerzes; nur Freude, nur Kampflust wecken seine
Stimme.
5. Und wie das Pferd des Helden Schutz und Trutz in der Schlacht,
15 so ist es auch sein Freund, sein Gehülfe im Frieden. Mit dem Krieger
in die Heimat zurückgekehrt, legt es die Rüstung ab, zieht geduldig den
Pflug und den Erntewagen. Es trägt den Reisenden über die rauhen
Pfade der Alpen, in die Eisfelder Sibiriens und durchrennt mit ihm die
Ebenen von Amerika. Der Kelter begleitet den Araber, wie dieser ge-
20 nügsam, in die brennenden Wüsten, trägt alle seine Habe, ist der Gespiele
seiner Kinder, ruht getreulich neben ihnen unter dem gleichen Dache.
Stets bleibt das Pferd ein beharrlicher, geduldiger Arbeiter, ein un¬
ermüdlicher, rüstiger Gänger, ein behender Renner, ein offner, kühner
Held, ein treuer Waffengenoffe, ohne Falsch und ohne Bosheit.
6. Es ist des Menschen Gefährte, ihm gewogen, gelehrig und folg¬
sam, durch ihn veredelt. /Und wo es, seiner Leitung entzogen, frei umher¬
streift, in den Steppen Jnnerasiens, in dep Llanos. Amerikas, da ist es
ein kleiner, struppiger Sohn der Wildnis geworden und jagt scheu mit
seinen Gefährten als brausender, verheerender Strom über die Ebene hin.
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Rud. Meyer.
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207, Das Rind sonst und jetzt.
f: ES hat sdhon früher Rinder in unsrer Heimat gegeben, lange
vorher, ehe Menschen im Lande wohnten und zahme Kühe und Ochsen
hielten. Es hat nun mancher gemeint, daß die wilden Rinder in ihrer
35 Freiheit ehedem doch ein herrliches Leben geführt haben müßten, und daß
sie es jetzt als Haustiere jämmerlich schlecht hätten. Vormals sei bei
ihnen alle Tage Schmaus gewesen; gegenwärtig hätten sie Not und Plage
ihr Lebetag. Dazu drohe ihnen das Beil des Fleischers; ja schon den
Kälbern säße das Messer an der Kehle.
40 Daß auf Erden kein Leben ohne Not und Qual ist, trifft zu, selbst
bei dem Rindvieh. Aber ich meine doch, daß das Vieh früher noch viel
schlimmer dran war als jetzt, und will dir auch sagen, warum. Das
wilde Rind konnte den ganzen Tag hindurch im Sumpfe und auf der
fetten Wiese herumwaten und sich aussuchen, was ihm gefiel, das ist wahr;
45 aber es mußte auch stets auf der Hut sein. Graste es, so schlich ihm
der starke Bär nach, um es zu packen und zu zerreißen. Lag es im
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