98 VIII. Die Gründung der Nationalstaaten und des Berfassungslebens.
Bauernhöfe zu Gemeinden und die Einsetzung gewählter Friedensrichter. Bei
dem durchgehenden Mangel an Schulbildung führte die überhastende Bauern-
befreiung (binnen 2 Jahren) nicht nur den teilweisen Ruin des Adels
herbei, sondern zeitigte aflch unter den Bauern vielfach Unlust zur Arbeit
und bewirkte so wirtschaftlichen Verfall. Sozialistische Gedanken, die von
schwärmerischen Idealisten unter der halbreifen studierenden Jugend und
dem unreifen Volke verbreitet wurden, erzeugten überall Gärung.
Ml«?!-und In Ostindien dehnten die Engländer ihre Herrschaft immer weiter
Ostaften. nu§ unb rissen die Hälfte von Birma an sich. Infolge der Erbitterung der
Jndier gegen die Engländer, deren Fabrikwaren die nationale Industrie
verdrängten und deren Kultur alle alten Ordnungen bedrohte, brach eine
allgemeine Empörung aus, die nur mit Mühe überwältigt wurde. Die
Verwaltung des Landes ging am 1. Sept. 1858 von der Ostindischen Kom--
pagnie auf den englischen Staat über. Seit 1852 begannen die Russen
in Turkestan vorzudringen, unterwarfen Kokand und brachten die Khanate
von Bokhara und Khiwa in Abhängigkeit. Um den Besitz Indiens gegen
Rußland zu sichern, schlössen die Engländer 1869 ein Bündnis mit dem
Emir von Afghanistan. In China wurde die gegen die Mandschn-
Dynastie gerichtete Empörung des Taiping unter furchtbaren Greueln
(1851 — 64) niedergeworfen. Ein Krieg Chinas gegen England und
Frankreich endete mit einem Frieden, der China in weiterem Umfange den
Europäern erschloß 1856—1860. Rußland benutzte diesen Krieg, um China
die Amurprovinz abzubringen (1858). — In Japan entbrannte ein Streit
zwischen den fremdenfeindlichen Lehnsfürsten (Daimios) und ihrem gegen die
Europäer Vertragstreuen Oberhaupt (Taikun). Infolge eines Bürgerkrieges
wurde das Taikunat beseitigt und dem Mikado zu seiner geistlichen Herrschaft
die weltliche zurückgegeben 1869. Japan erschloß sich den Europäern und
machte seitdem in der Aneignung europäischer Kultur staunenswerte Fortschritte.
»«Italienische 3. Die Einigung Italiens. Österreich besaß nicht nur das lom-
Krieg 1869. bardo-venetianische Königreich, sondern auch durch Verwandtschaft der
Herrscherhäuser den größten Einfluß in den mittelitalienischen Staaten^
wo es den Absolutismus wie in der Romagna die päpstliche Herrschaft
seit 1849 durch seine Truppen stützte. Napoleon III., auf diese
Machtstellung, wie alle französischen Herrscher seit 350 Jahren, eifer¬
süchtig, ließ sich von dem sardinischen Minister, Grafen Cavour, der
in glühender Vaterlandsliebe voll Kühnheit und Klugheit die Einigung
Italiens herbeizuführen strebte, für ein Bündnis gegen Österreich
gewinnen. Die österreichische Regierung vereitelte die für sie nicht un-
günstige Friedensvermittlung der Großmächte durch ein schroffes au
den König Viktor Emanuel I. gerichtetes Ultimatum. Zwar -drangen
die Österreicher in Sardinien ein, mußten aber vor dem vereinigten
französisch-sardinischen Heere und den ans ganz Italien zusammen-
geströmten Freischaren des tapferen Garibaldi wieder zurückweichen.
Bei Mageuta (w. v. Mailand), wo der von Norden herandringende
General Mac Mahon („Herzog von Magenta") den Sieg entschied,