Full text: (Für das 5. und 6. Schuljahr) (Abteilung 1)

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nung offen war, dahin kamen, haben ihn gesehen, wie er mit einigen seiner 
alten Diener auf einer Bank an einem großen, steinernen Tische saß. Da 
sitzen sie nun lange und unbeweglich, daß ihnen die Bärte durch den 
steinernen Tisch hindurch bis auf den Boden gewachsen sind. Einst wird 
aber der Kaiser aus diesem Gefängnisse wieder in seiner vollen Macht und 
Schönheit hervorgehen, sein Kaisertum wieder in Besitz nehmen, Deutsch— 
land über alle Völker groß und glücklich machen, die Türken aus Europa 
vertreiben und das gelobte Land mit dem heiligen Grabe wieder erobern. 
Es bedient ihn inzwischen eine schöne Prinzessin, die niemals alt wird und 
sich zuweilen außerhalb des Berges sehen läßt; auch hat er manchmal Zwerge 
zu seiner Bedienung. Daß an Gold und anderen Schätzen in der zauberi— 
schen Wohnung des Kaisers ein großer Vorrat ist, läßt sich leicht denken. 
Einmal saß ein Schäfer auf dem Berge und blies auf seiner Schalmei 
so anmutig, daß der Kaiser im Innern des Berges es mit Wohlgefallen 
hörte und einen Zwerg heraussandte, den Schäfer hineinzurufen. Un— 
erschrocken folgte der Schäfer und blies dem alten Kaiser die lieblichsten 
Weisen vor, die er nur wußte. Der Kaiser ließ ihm darauf aus seinem 
Schatze eine Menge Gold geben und fragte ihn, ob die Raben noch um 
den Berg flögen. Als nun der Schäfer antwortete: „Ja!“ sprach der 
Kaiser: „So muß ich noch hundert Jahre schlafen!“ Der Schäfer aber 
wurde durch den Zwerg wieder glücklich hinausgeführt. 
Dergleichen Geschichten werden noch in Menge erzählt, und es hat 
schon Leute gegeben, die viele Mühe daran wandten, Gold im Kyffhäuser 
zu suchen; sie haben aber nichts gefunden. 
Wenn aber auch der Kyffhäuser kein Gold darbietet, so ist es doch 
sehr angenehm, ihn zu besuchen und dort etwas zu verweilen; denn wohin 
man von seiner Höhe nur blicken mag, da ist die Aussicht so schön und 
groß, daß man gar nicht weiß, wohin man zuerst sehen soll, und sich gar 
nicht sehnt, wieder wegzugehen. An der nördlichen Seite des Berges breitet 
die Goldene Aue mit ihren reichen und bunten Gefilden sich aus, durch 
welche die Helme fließt, deren Lauf man in einer weiten Ausdehnung mit 
dem Auge verfolgen kann. Der westliche Teil der Goldenen Aue wird 
zwar etwas durch die Rotenburg versteckt; doch schimmern jenseit der— 
selben noch die Türme der Stadt Nordhausen hervor. Gerade vor sich 
sieht man die Vorgebirge des Harzes und unter denselben hingestreckt eine 
ganze Reihe kleinerer Orte, während gegen Osten die Städte Artern, 
Sangerhausen und Allstedt mit seinem Schlosse als die äußersten, 
deutlich wahrnehmbaren Gegenstände die Aussicht schließen. Südöstlich liegt 
die schöne Ebene, durch welche die Unstrut fließt, und in welcher man 
das Städtchen Heldrungen, das Schloß Wendelstein und viele andere 
Orte erblickt. Gegen Süden ruht das Auge zunächst auf dem dunkeln 
Walde; aber jenseit desselben fliegt der Blick über die Gefilde Thüringens 
dahin, bis ihn am äußersten Ende des Gesichtskreises die blauen Berge des 
Thüringer Waldes begrenzen. 
Dicht um die Ruinen, die verfallenen Werke der Menschenhand, regt 
sich das ewig junge Leben der Natur, die hier eine Menge schönblühender 
und gewürzreicher Pflanzen hervorbringt. Merkwürdig sind die großen 
Steinbrüche, die man am Fuße des Kyffhäusers findet. Es wird hier ein 
sehr fester Sandstein gebrochen, den man vorzüglich zu Mühlsteinen ver—
	        
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