*
238
179. Der gute Knecht.
Der Gutsbesitzer Vormann hatte einen braven Knecht, und daß der—
selbe brav war, erfuhr er zuerst durch eine kleine Dhatsache, an die sich
später viele andere anreihten. Der Knecht hatte nichts davon gewußt,
daß ein Auge ihn sah, als er sich brav benahm, und das sind die besten
Thaten, die so geschehen. Sie werden nur selten äußerlich belohnt; aber
sie haben doch einen guten Zahlmeister, der immer bare Münze hat, und
das ist in seinem Herzen der Herr Geheimrat, und wer den bei sich richtig
angestellt weiß, dem kann es einerlei sein, wie er selbst und wie andere
in der Welt betitelt werden.
Es war ein heißer Mittag, als der Knecht Konrad mit seinen Pferden
vom Ackern heimgekommen war. Die beiden Pferde wurden gefüttert und
abgeschirrt; denn jeder, der es wissen will, weiß, daß auch ein Tier nicht
zur rechten Ruhe kommt, so lange es das Geschirr mit auf dem Leibe hat;
aber manche wollen es nicht wissen, um sich die Mühe des Ab- und Auf—
schirrens zu ersparen. Das that aber Vormanns Knecht nicht, und es
kann wohl sein, daß ihm selber darum auch das Essen drin am Gesinde—
tische um so besser schmeckte.
Der Streit ist noch unentschieden, welche Pfeife am besten schmeckt,
bb die nach der Morgensuppe, die nach dem Mittagsessen oder die am
Feierabend. Unser Konrad liebte sie alle gleich. Es war ein eigenes
Behagen, mit dem sich Konrad nach dem Mittagsessen auf den Stein an
der Stallthür setzte, mit einem Strohhalme seinem Pfeifenrohre Luft
machte, den Wassersack ebenfalls säuberte, während er einstweilen den
runden Pfeifenkopf auf den Sims des kleinen Stallfensters gelegt hatte.
Als er jetzt nach dem Pfeifenkopfe griff, rollte er hinunter und ganz un—
versehrt hinein in den Stall, auf einen Strohbüschel. Schon wollte
Lonrad herabsteigen und durch die re in den Stall gehen, um den
Pfeifenkopf zu holen; aber plötzlich hielt er wieder inne; er sah, daß die
Pferde sich niedergelegt hatten, und er wußte, daß sie alsbald aus der
ihnen so nötigen Ruhe aufspringen würden, wenn er in den Stall träte.
Er setzte sich daher wieder ruhig nieder und hielt das Rohr mit dem
Wassersacke rauchlos im Munde.
Der Landwirt Vormann, der das alles aus seinem Fenster mit an—
gesehen hatte, trat jetzt auf Konrad zu und fragte ihn: ‚Warum rauchst
du nicht? Hast du deine Pfeife zerbrochen?“ — ‚Nein, sie ist nur da
hineingerutscht,“ antwortete der Knecht; „aber ich will die Gäule nicht
aufwecken, will lieber warten, bis es wieder ins Feld geht.“
„Du bist ein braver Knecht,“ sagte Vormann und reichte ihm die
eigene, silberbeschlagene Pfeife aus dem Munde. „Da, nimm und behalte
das zum Danke dafür! Es wird dir gut gehen. Denn wer die Lebens—
stunde eines Tieres schont, der ist auch rechtschaffen gegen Menschen.
Wir bleiben hoffentlich lebenslang bei einander.“ — Und so geschah
es auch. Auerbach.
180. Ehre das Alter!
In Athen kam ein hochbejahrter Mann in das Theater, konnte aber
nirgends Platz finden. Zufällig waren lakedämonische Gesandte anwesend,
denen man ehrenhalber bestimmte Plätze angewiesen hatte. Sobald er