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ein freies Gebiet, von den Römern Germania magna, transrhenana oder
barbara benannt. Die Besitzungen am linken Rheinufer teilten die Römer in
Provinzen und errichteten zu ihrem Schutze feste Kastelle, aus denen in der Folge
wichtige Städte entstanden, so z. B. Moguntiacum (Mainz), Bonna (Bonn),
Colonia Agrippina (Köln), Castra vetera (Xanten), Aaquae (Aachen),
Augusta Trevirorum (Trier).
[c) Religion der alten Deutschen.] Über die frühesten religiösen
Verhältnisse der Deutschen berichtet nicht nur der berühmteste Geschicht-
schreiber der Römer, Tacitus, in seiner „Germania“, sondern es bieten
auch die Überreste altgermanischer Poesie zahlreiche Aufschlüsse
darüber. Unter diesen verdienen die ältere und die jüngere „Edda“,
jene um das Jahr 1100 n. Chr. G., diese um das Jahr 1220 von
Isländern verfaßt, den vornehmsten Platz. Beide Sammlungen, nament-
lich die ältere, enthalten die Götter- und Heldenmythen, die nicht bloß
den nordgermanischen, sondern allen germanischen Stämmen, allerdings
mannigfach verändert, eigen waren. .
Nach der Götterlehre der Germanen waren die Hauptgottheiten die
Asen (d. h. die Großen), nämlich Wuotan, Ziu, Donar, Balder und Fricka.
Sie wohnten in der Mitte des gewölbten Himmels, die daher Asgart
(Asenheim) hieß. Überdies gab es die Thursen oder Riesen, die
zum Teil (wie z. B. Loki) den Göttern feindlich sind, und die Elben
oder Zwerge, welche ihnen mit zauberhafter Arbeit dienen.
Wuotan (nordisch Odhin) ist der Herr und Schöpfer alles geistigen
und physischen Lebens, er lehrt die Kriegskunst, verleiht den Sieg und
nimmt die im Kampfe Gefallenen (Einherier) in die Walhalla auf. Ihm
war der Mittwoch geheiligt. Von Wuotans Söhnen ist Ziu (oder Tyr)
gleich dem Vater ein Kriegsgott; Donar (oder Thor) ist der Gott,
der im Gewitter waltet, der die. Riesen, die Feinde der Götter und
Menschen, unablässig bekämpft, Brücken baut, Wege bahut und den
Ackerbau beschützt und segnet; Balder (oder Baldur), der milde,
schöne, der gerechteste unter den Asen, welcher durch die Tücke des
bösen Unheilstifters Loki von der Hand des eigenen blinden Bruders
Höder (d. h. Streit) fällt, ist der Gott des Sommers, der durch die
Dunkelheit des Winters sein Ende findet. Fricka (oder Frigg) ist
die Gemahlin Wuotans, mit dem sie die Gabe teilt, die Zukunft voraus-
zuwissen; sie spendet eheliches Glück. Die Göttin der Liebe heißt Freya,
(d. h. die Erfreuende); sie wurde auch unter den Namen Holda und
Berchta (d. h. die Glänzende) verehrt. Der Meeresgott heißt im Nordischen
Ägir; die Wassergeister werden Nixen genannt. In der Wahhalla,
dem Aufenthaltsorte der Seligen, dienen dem Wuotan die Walküren
(Schlachtjungfrauen). Sie werden von ihm in den Kampf gesendet, um
die gefallenen Helden nach Walhalla zu geleiten. Alle übrigen Sterb-
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