fullscreen: Lesebuch für die mittlere und obere Stufe (Teil 3, [Schülerband])

16 32. Laß die Linke nicht wissen, was die Rechte thut. 33. Das fremde Kind. 
32. Lab die Linke nicht wissen, was die Rechte thut. 
Oberlin war ein Pfarrer im Elsab, der dort in Segen 
wirkte. Als er noeb ein Knabe war, sah er einmal auf dem 
Markte zu Strabßburg, wie eine arme Erau von einem UTrödler 
ein sltes Röcklein kaufen wollte für ihren Knaben. Der Mann 
forder o l so viel, und es war eben nieht viel; denn er 
moch Mitlenl haben mit der Frau, die arm, aber ehrlich und 
reinl maussah, und bald ihren Knaben freundlich anblickte, bald 
wieder das Röcklein. Und die Frau zählte ihr Geld, — alles, 
was sie hatte; aber es reichte doch nicht, sondern es fehlten 
noch sechs Kreuzer, und die wollte der Trödler nicht ablassen. 
Da ging die Frau betrübt fort, und ihr Knabe weinte. 
Der kleine Oberlin aber trat zu dem Manne und sagte: 
„Hört, guter Mann, da sind noch sechs Kreuzer! Ruft nun die 
EFrau zurüek, und laßt ihr das Röcklein.“ Und damit lief er 
schnell um die Eeke, dab ihn die Frau niecht mehr sehen sollte. 
Als ihn nun zu Hause die Mutter fragte: „Wie haben dir 
denn die Weintrauben geschmeckt, zu denen ieb dir seehs Kreuzer 
geschenkt habe? Es werden wobl die einzigen sein, die du dies 
Jahr zu essen bekommst,“ — s0 schämte sich der Knabe fast; 
aber er war doch frob. 
Schubert. 
33. Das fremde Kind. 
Durch den Schnee und durch die Tannen des Schwarzwaldes 
kommt abends am 5. Dezember 1807 ein achtjähriges Mädchen, halb 
barfuß, halb nackt, vor das Häuslein eines armen Tagelöhners im 
Gebirge und gesellt sich mir nichts, dir nichts zu den Kindern des 
armen Mannes, die vor dem Thore waren, und spielt mit ihnen, 
geht auch mir nichts, dir nichts mit ihnen in die Stube und denlt 
nimmer ans Fortgehen. Nicht anders als ein Schäflein, das sich 
von der Herde verlaufen hat und in der Wildnis herumirrt, wenn 
es wieder zu seinesgleichen kommt, so hat es keinen Kummer mehr. 
Der Tagelöhner fragt das Kind, wo es herkomme. — „Oben herab 
von Gutenberg.“ — „Wie heißt dein Vater?“ — „Ich habe keinen 
Vater.“ — „Wie heißt deine Mutter?“ — „Ich habe keine Mutter.“ 
— Wem gehörst du denn sonst an?“ — „Ich gehöre niemand sonst 
an.“ — Aus dem Kinde war nur soviel herauszubringen, daß es von 
den Bettelleuten sei aufgelesen worden, daß es mehrere Jahre mit Bettlern 
und Gaunern umhergezogen sei, daß sie es zuletzt in St. Peter 
haben sitzen lassen, und daß es allein über St. Margen gekommen 
sei und jetzt da sei. Als der Tagelöhner mit den Seinigen zu Nacht 
aß, setzte sich das fremde Kind auch an den Tisch. Als es Zeit war
	        
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