mir ins Zimmer; dazwischen singen sie durch die Nase mit weit auf¬
gerissenem Munde in kranker, klagender Molldissonanz Geschichten von
schwarzen Augen und von dem tapferen Tod eines Räubers in Tönen,
die an den Wind erinnern, wenn er im Schornsteine lettische Lieder heult.
Die Weiber sind im ganzen gut gewachsen, einige ausgezeichnet
schön; sie haben pechschwarzes Haar, nach hinten in Zöpfe geflochten,
mit roten Bändern darin; die Frauen haben entweder lebhaft grünrote
Tücher oder rotsammetne Häubchen mit Gold auf dem ctopf, ein sehr
schön gelbes, seidenes Tuch um Schulter und Brust, schwarze, auch azur¬
blaue, kurze Röcke und rote Saffianstiefel, die bis unter das Kleid gehen,
lebhafte Farben, meist ein gelbliches Braun im Gesicht und große,
brennend schwarze Augen. Im ganzen gewährt so ein Trupp Weiber ein
Farbenspiel, das Dir gefallen würde, jede Farbe am Anzug so energisch,
wie sie sein kann.
Ich habe nach meiner Ankunft um fünf in Erwartung des Diners
in der Theiß geschwommen, Csardas tanzen sehen, bedauert, daß ich
nicht zeichnen konnte, um die fabelhaftesten Gestalten für Dich zu Papier
zu bringen, dann Paprika-Hähndel, Stürl (Fisch) gegessen, viel Ungar
getrunken, geschrieben und will nun zu Bett gehen, wenn die Zigeuner¬
musik mich schlafen läßt. Gute Nacht! Istom adiamek!
221. Eine Schiffswerft.
H. Rohwedder.
Unter den vielen Werften unseres deutschen Vaterlandes ist eine
der größten und schönsten die „Kaiserliche Werst" bei Kiel, am
östlichen Ufer der ruhigen, waldumsäumten Kieler Bucht gelegen,
ln einer Länge von mehr als einen Kilometer zieht sie sich unmittelbar
am Hafen entlang. Schon aus der Ferne tönt uns das Geräusch
der Maschinen und der vielen tätigen Hämmer entgegen. Nach der
Landseite hin ist die Werft mit einer hohen Mauer abgeschlossen.
Trittst du durch eines der vier großen Tore ein, so glaubst du, dich
in einer großen Stadt zu befinden; denn vor dir reiht sich Werkstatt
an Werkstatt, Lagerraum an Lagerraum, und nicht weniger als fünf-
bis sechstausend Arbeiter finden hier Beschäftigung. Ihre fleißigen
Hände sind tätig, neue Schiffe zu bauen und für die Fahrt übers
Meer auszurüsten, alte Schiffe auszubessern oder umzubauen. Nach
der Art der Arbeit teilt man die Werft in verschiedene Arbeitsfelder