Full text: Lesebuch für die Oberklassen katholischer Volksschulen des Regierungsbezirks Düsseldorf

25. Die Anfänge der Lndwig-Maximilians-Universität in Ingolstadt. 
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man blickt im Rundkreis der damals bekannten Welt, überall sieht das Auge 
des Geschichtschreibers große und glänzende Gestalten auftauchen. 
Frisch und begeisternd wehte durch die Völker Europas jener Strom 
geistigen Lebens, der ans dem wiedererschlossenen Gedankenschatze des Altertums 
entsprang. Tausend Jahre hindurch war die Wissenschaft im Alleinbesitze des 
Klerus gewesen — nun ward sie wieder weltlich. Wie eine mächtige Strömung 
kam es in das Bewußtsein der Völker, daß Wissenschaft und Kunst große und 
heilige Ausgaben des Menschengeschlechtes seien und daß man auf den Resten 
der antiken Kultur weiterbauen müsse. 
Das Wiederaufleben der Wissenschaft hatte zuerst die italienischen Univer¬ 
sitäten und die Pariser Hochschule, im Deutschen Reiche die Hochschulen zu 
Prag, Wien und Heidelberg zu jenen Stätten gemacht, wo deutsche Jünglinge 
ihrem Bildungsstreben genügen konnten. In Deutschland waren zunächst Köln 
und Ersurt, Leipzig, Rostock und Freiburg gefolgt. Jeder patriotische Fürst 
konnte in jener Zeit den lebhaften Wunsch empfinden, daß die Jünglinge feiner 
Nation nicht bloß durch die Vermittlung ausländischer Universitäten an dem 
machtvoll zunehmenden Bilduugsschatze der Welt Anteil erhalten möchten. 
Dieser Wunsch war nicht bloß durch die Freude an der Wissenschaft selbst 
sondern auch durch staatsmänuische Erwägungen gerechtfertigt. 
In jener Zeit galt die Anschauung, daß der römische Papst nicht allein 
in geistlichen sondern auch in wissenschaftlichen Dingen die höchste Autorität 
sei. Als daher Herzog Ludwig den Plan faßte eine Universität in seinen 
Landen zu gründen, wandte er sich an den damaligen Papst Pius II. (Enea 
Silvio) um diesem obersten geistlichen Lehnsherrn feinen Wunsch vorzutragen. 
Der Papst antwortete hierauf zustimmend. Diese Erlaubnis des geistlichen 
Oberherrn war in finanzieller Hinsicht von Wichtigkeit. Denn zur Aus¬ 
stattung neu entstehender Universitäten war es damals sehr wertvoll, wenn 
die Mittel geistlicher Pfründen und Kanonikate der Sache gewidmet werden 
dursten. 
Die Universität sollte ihren Sitz in Ingolstadt haben. Aber zwischen 
den ersten Plan des Herzogs und die Ausführung drängten sich politische 
Hindernisse, ein Krieg gegen Albrecht von Brandenburg und Kaiser Friedrich III. 
Erst nach dem Siege bei Giengen (1462) konnte Herzog Ludwig den Plan 
wieder aufnehmen. Es dienten ihm dabei teils vorhandene verfügbare Stiftungs¬ 
mittel teils die achtungswerte Bereitwilligkeit des Klerus die neue Universität 
mit Geldmitteln auszustatten. Den Hauptbestandteil dieser Geldmittel bildete 
eine Pfründnerstiftung, welche nach dem Willen des Stiftungsbriefes auch 
einem „besseren und heilsameren Zwecke" zugewandt werden durfte. Die 
Summe der für die Universität verfügbaren Mittel belief sich auf eine Jahres¬ 
rente von ritnfc) 2500 Gulden, eine Summe, welche für die damaligen Ver¬ 
hältnisse einen Wert hatte, wie ihn heutzutage 'etwa ein Einkommen von 
80000 Mark repräsentiert.
	        
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