fullscreen: Griechisch-römische Altertumskunde

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Jeder mußte seine Sache selber führen, doch konnte man sich 
seine Rede von einem Xoyoy^dtpog anfertigen lassen. 
c) Abstimmung der Heliasten. Jeder Heliast erhielt einen Pro- und 
einen Kontra-Stein; es galt der Stein, der in die vor dem Archon 
stehende Urne geworfen mar; einfache Mehrheit entschied. 
d) Vollziehung des Urteils. In Zivilsachen konnten der Vollziehung 
mancherlei Schwierigkeiten bereitet werden, wie Demosthenes dies 
in dem Prozesse gegen seine Vormünder zu seinem Schaden er- 
fahren mußte. In Strafsachen dagegen sorgten die Elfmänner 
für die Vollziehung der Strafe (ot eWexa, einer aus jeder Phyle 
und ihr Schreiber). 
Das Strafrecht war noch nicht vollständig ausgebildet, so daß 
für eine große Anzahl von Straftaten keine bestimmte Strafe vorge- 
sehen war' solche Prozesse hießen uywves ny.riioi im Gegensatze zu 
den &yaveg ätifxrjzoi, bei denen mit der Verurteilung zugleich auch 
die Strafe festgesetzt war. Lag ein aywv nuiqxög vor, so begründete 
der Kläger unmittelbar nach der Verurteilung seinen Strafantrag, 
ebenso der Verurteilte seinen Gegenantrag, und der Gerichtshof ent- 
schied sofort. 
Die Strafen waren 1. die Hinrichtung durch den Schirlings- 
becher oder durch das Hinabstürzen in das Barathron; 2. die Ver¬ 
bannung, die mit Gütereinziehung verbunden war; 3. die völlige oder 
teilweise Wegnahme der Bürgerrechte, Atimie genannt; 4. Geldstrafen. 
Auf Gefängnis als selbständige Strafe wurde verhältnismäßig selten 
erkannt; das Gefängnis diente zumeist dazu, offenkundige Missetäter 
bis zu ihrer Aburteilung, verurteilte Missetäter bis zur Vollstreckung 
der Todesstrafe und zu Geldstrafen Verurteilte bis zur Entrichtung 
der Strafsumme festzuhalten. 
Die Verbannung, die durch den Ostrakismos herbeigeführt wurde, 
galt nicht als entehrende Strafe, war daher auch nicht mit Güterein¬ 
ziehung verbunden. 
§ 86. wichtigere Prozehformen. 
Besondere Prozeßformen sind: 
a) Der Ostrakismos (ö dax^axLa^ös). Von Kleisthenes 509 eingeführt, um 
einer neuen Tyrannis vorzubeugen, bot er in Wirklichkeit der Mehrheit 
der Bürger ein bequemes Mittel, sich eines unbequemen Führers der Min- 
derheit zu entledigen; so machte es Themistokles bei Aristeides, Perikles 
bei Kimon. Das Verfahren war folgendes: Alljährlich wurde in einer be- 
stimmten Volksversammlung angefragt, ob der Ostrakismos anzuwenden 
sei. Wurde die Frage bejaht, so fand die Abstimmung geraume Zeit später 
in einer neuen Volksversammlung statt, in der mindestens 6000 Bürger 
anwesend sein mußten; es entschied dann die Höchstzahl der abgegebenen 
Tontäfelchen (rd o<jtqccxov). Der so Verurteilte mußte 10 Jahre lang sein 
Vaterland meiden. 
b) Die Klage wegen Rechtswidrigkeit yqwpfi naqavouwv) war unter 
den ordentlichen Klageformen bei weitem die wichtigste und für die athenische 
Demokratie ein politischer Faktor ersten Ranges. Nicht bloß jeder Volks- 
beschluß, sondern auch jedes neue Gesetz, sogar nach seiner Annahme, konnte 
mit dieser Klage angegriffen werden; sowie ein Bürger eidlich erklärt hatte,
	        
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