Full text: [Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband])

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Wenn der Winter naht und die Störche sich zur Abreise anschicken, versammeln 
sich dieselben zu einem gemeinsamen Zuge und treffen mit andern Zügen bald 
zusammen, um die Reise gemeinschaftlich zu machen. Bevor aber der Zug ins 
Weite hinaus beginnt, läßt sich die Storchengesellschaft gewöhnlich auf ein Feld 
nieder und schließt da einen Kreis, in dessen Mitte einer oder zwei Störche bleiben. 
Nach vielem Klappern mit den Schnäbeln fallen die Störche über die im Kreise 
sich befindenden her und töten sie, und sodann erhebt sich der Zug sofort und 
zieht von dannen. Man nennt diesen Vorgang Gerichtstag und will darin 
eine Art Rechtspflege erkennen gegen irgendwelche verbrecherischen Störche; allein 
es ist wahrscheinlicher, daß die schwächlichen und kranken Störche in solcher Weise 
getötet werden, weil sie den Zug nicht mitmachen können und ohnehin umkommen 
würden. Jedenfalls ist dieser rätselhafte Vorgang höchst wunderbar und findet 
in der Tierwelt nichts Ähnliches, womit er verglichen werden könnte. 
A. Bernstein. 
81. Lin Lied hinterm Ofen zu singen. 
1. Der Winter ist ein rechter Mann, 
kernfest und auf die Dauer; 
sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an 
und schmeckt nicht süss, noch sauer. 
2. War je ein Mann gesund wie er? 
Er krankt und kränkelt nimmer; 
er trotzt der Kälte gleich dem Bär 
und schläft im kalten Zimmer. 
3. Aus Blumen und aus Vogelsang 
weiss er sich nichts zu machen, 
hasst warmen Drang und warmen Klang 
und alle warmen Sachen. 
4. Doch wenn die Füchse bellen sehr, 
wenn’s Holz im Ofen knittert, 
und um den Ofen Knecht und Herr 
die Hände reibt und zittert; 
5. wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht 
und Teich’ und Seeen krachen, — 
das klingt ihm gut, das hasst er nicht, 
dann will er tot sich lachen. 
6. Sein Schloss von Eis liegt weit hinaus 
beim Nordpol an dem Strande; 
doch hat er auch ein Sommerhaus 
im lieben Schweizerlande. 
Bartholomäus u. Heinecke, Deutsches Lesebuch für Oberkl. 
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