Full text: Lesebuch für deutsche Volksschulen

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Leiden herbei, welche die späteren Geschlechter am meisten zu fühlen 
hatten. Der König selbst besaß keine großen persönlichen Eigen¬ 
schaften, aber er verstand es, tüchtige Männer um sich zu sammeln, 
welche seine Regierung verherrlichten. An der Spitze seiner zahl¬ 
reichen und gutorganisierten Heere standen die tüchtigsten Feld¬ 
herren, die innere Verwaltung besorgte ein trefflicher Minister, 
der weise Colbert, welcher durch Anlegung von Kanälen und 
Gründung von Kolonien Handel und Schiffahrt belebte und 
Ackerbau und Gewerbesteiß beförderte, so daß die französische 
Nation in Kunst und Wissenschaft alle übrigen des Festlandes 
überragte und in Industrie und Handel eine ungemein erfolgreiche 
Thätigkeit entwickelte. Der König selbst liebte Künste und Wissen¬ 
schaften und suchte sich mit ihrem Glanze zu umgeben, deshalb 
unterstützte er Dichter, Künstler und Gelehrte mit freigebiger 
Hand. Dadurch wurde die französische Sprache sehr ausgebildet 
und auch im Auslande so beliebt, daß sie bald die Sprache der 
Höfe, der Diplomatie und der höheren Gesellschaft in ganz Europa 
wurde. Mit der französischen Sprache verbreiteten sich auch die 
französischen Moden und Sitten überallhin; die kurzen Beinkleider 
mit dem Frack, die Schuhe mit den seideneu Strümpfen, selbst die 
Perrücken fanden allerorten Eingang; der Hof Ludwigs zu Ver¬ 
sailles, seine Lustschlösser mit den großen Marmortreppen und be¬ 
rühmten Spiegelgallerien, seine Gartenanlagen mit den beschnittenen 
Alleen und Springbrunnen, seine Hoffeste und Hofgebräuche, die feine 
Geselligkeit, der gebildete Ton, die leichten Manieren des Adels 
und der Hofleute wurden das Musterbild für Europa, namentlich 
für Deutschland. Französische Köche, französische Lehrer und Tanz¬ 
meister überschwemmten unser Vaterland, um französische Lebens¬ 
weise und Bildung zu lehren. Im Gefolge dieser Nachahmungs¬ 
sucht verpflanzten sich aber auch rücksichtslose Willkürherrschaft, 
üppige Sinnlichkeit, abenteuerliche Verschwendung, trügerische 
Heuchelei, eitle Prahlerei und falsche Ruhmsucht an die deutschen 
Höfe, und die deutsche Ehrbarkeit, Einfachheit und Sparsamkeit 
gingen in den verwelschten Sitten unter. 
Nicht minder war Ludwigs XIV. Politik für ganz Deutsch¬ 
land gefährlich. Von dem ehrgeizigen Wunsche beseelt, unter allen 
Königen Europas als der erste und mächtigste hervorzustrahlen, 
unternahm er meist ohne alle Ursache, aus bloßer Eroberungssucht 
verschiedene Kriege gegen seine Nachbarn, insbesondere gegen das 
deutsche Reich, dessen Ohnmacht und Zerrissenheit ihm..günstige 
Gelegenheit zu Ruhm und Eroberung boten. In seinem Ubermute 
ließ er sich eine Uhr machen, in welcher ein künstlicher französischer 
Hahn bei jedem Stundenschlag krähte, der deutsche Adler aber, 
welcher auch an der Uhr angebracht war, bei diesem Krähen jedes¬ 
mal am ganzen Leibe zitterte. Eine große Statue hatte er fertigen 
lassen, die ihn selbst darstellte, stehend aus dem Nacken von vier 
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