Full text: Lesebuch für deutsche Volksschulen

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der kleine Gefangene spitzte die Öhrlein und stellte sich dann höchst 
possierlich auf sein Hinterteil, weil er glaubte, die Leute wollten sich 
von ihm ergötzen lassen und der Beifall ginge ihn an. Der Redner 
fuhr endlich fort: daß es zwischen uns keine Versöhnung gibt 
und geben kann!" worauf sich der Beifallsjubel nochmals wiederholte. 
„Werte Versammlung!" sagte der Greis mit fast mißbilligender 
Mene, „der Gegenstand ist zu eruft, als daß wir ihn mit Zurufen 
wie bei einer Komödie entweihen wollten. Es handelt sich darum, 
daß wir an diesem Tage ein Beispiel aufstellen, welches geeignet ist, 
das elende Geschlecht vor Schreck stumm zu machen, wenn es nicht 
schon stumm wäre, und vor Angst schwarz zu machen, wenn es diese 
Farbe nicht schon hätte. Des Grauens voll sollen sie sich sammeln 
irr Rotterr, die Gaue von Abelsberg auf Nimmerwiedersehen ver¬ 
lassen und es ihren Kindern urrd Kindeskindern erzählen, was zu 
Abelsberg einem ihrer Genossen geschehen ist. Nicht hängen und 
nicht köpfen, nicht spießen und nicht braten wollen wir den Vösewicht. 
Den gräßlichsten Tod soll er sterben, der je gestorben worden ist. 
Diesmal ist sie eine Bürgertugend, die Grausamkeit, mit der ich die 
Todesart verkünde: Der Schelm soll lebendig begraben werden!" 
Rat und Volk überboten sich im Beifall. Sie führten den Käsig 
hinaus auf den freien Anger, hoben den Maulwurf behutsam hervor, 
und nach wenigen Minuten war. das Urteil -vollzogen. 
Peter Rosegger. 
111. Der Herbst ist da! 
Ahnt ihr, was draußen vorgeht über der Erde? Hört ihr es 
knistern, fallet! und lispeln in dem welken Laube der Bäume ^nnd 
Büsche? Hört ihr das Krächzen der Krähen über dem Ackergrunde 
mit seiner braunen, aufgerissenen Scholle? Seht ihr den Nebel, wie 
er seinen Schleier über die Erde hinzieht und die letzte Blüte vom 
schwanken Stiele streift? 
„Der Herbst ist da!" flüstern die fallenden Blätter. „Der Herbst 
ist da!" summt leise die Fliege, die in einem letzten mittäglichen 
Sonnenstrahl auf- und niederschwebt und nach einem Plätzchen unter 
den Buschzweigen sucht, um dort von allen Freuden des Sommers 
auszuruhen. . 
„Der Herbst ist da!" rufen die Vögel einander zu, wenn sie sich 
am Morgen draußen am Waldraude zusammenfinden. Erst erzählten 
sich nur einzelne die betrübende Märe. Die Grasmücken, die Rot¬ 
kehlchen, die Wiirger taten es ihren Verwandten kund, daß sich die
	        
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