Full text: [Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband])

„Freilich, da hinter der Schmiede. Aber übernachten könnt Ihr in 
den paar Häusern nicht. Eine Bierschenke haben wir ja; aber ein Bett 
findet Ihr da schwerlich. Ins Städtchen ist's eine halbe Stunde." 
Und ruhig, als ob er allein in seiner Werkstatt wäre, nahm er 
sein Eisen ans der Esse und setzte sein Hämmern fort. Ich zog meine 
Feldflasche, stärkte mich und reichte sie dem fleißigen Manne hinüber. 
Aber er dankte und machte mit dem Ellenbogen eine Bewegung nach 
einer Bierkanne, die in seiner Nähe stand. 
„Sagt mir, Meister," fuhr ich nach einer besinnlichen Weile fort, 
„wie kommt's, daß Eure Schmiede abseits vorm Dorfe steht? Gab's 
keinen Platz drinnen?" 
„Meine Frau kann den Lärm nicht vertragen," war die Antwort. 
„Oho," rief ich, „ich dachte bisher, nur die Städter wären nerven¬ 
krank! Fängt das jetzt auch bei Euch an?" 
„Sie ist seit fünfzehn Jahren siech," sagte der Mann am Amboß. 
„Ach so," machte ich und schwieg. Eine Pause entstand. Ein Nacht¬ 
falter surrte. Der Schmied hämmerte, und ich besah mir diesen ernsten 
Mann mit einer plötzlichen Ehrfurcht. 
„Habt Ihr Kinder?" forschte ich weiter. 
„Ein Mädchen." 
„Erwachsen, so daß es seine Mutter pflegen kann?" 
„Das Änlichen ist just soviel Jahre, als seine Mutter krank liegt. 
Seit seiner Geburt fing's mit ihr an. — Was das Pflegen anbelangt," 
fuhr er fort und warf das fertige Eisen in den aufzischenden Wassertrog, 
„so ist das so 'ne Sache. Das Mädel ist von seiner Geburt an lahm. 
Es geht an Krücken." 
„Alle Wetter," entfuhr mir, „da seid Ihr schön dran!" 
„Hat mir schon mancher gesagt," bemerkte er ruhig, scharrte die 
Asche über das Feuer und fing an, sich die Hände zu waschen. Ich auf 
meinem Amboß schwieg, stützte das Kinn in die Hand und sah sehr ernst 
dem wortkargen Manne zu. 
Als er fertig war, langte er sich von einem Nagel die Pfeife herunter. 
„Woher sind Sie eigentlich, wenn's erlaubt ist zu fragen?" fing er 
an, während er gemächlich die Pfeife stopfte. 
Ich nannte ihm meine süddeutsche Heimat, fügte aber hinzu, daß ich 
aus Berlin käme, und erzählte, welch längere Wanderung hinter mir lag. 
„Nun, da haben Sie ein schönes Stückchen deutscher Erde gesehen," 
meinte er. „Ich war auch so, als ich unverheiratet war. Immer fort, 
immer weiter. Mein Vater wollte mich studieren lassen, na, da brannte 
ich durch. Aufs Schiff wollt' ich auch, da war's mir aber zu streng. 
Dann kam der Krieg mit Frankreich, den hab' ich mitgemacht. Hernach 
nahm ich meines Vaters Handwerk wieder auf, die Schmiederei, und 
trieb mich noch so ein paar Jahre als Geselle herum. Und immer 
5* 
5 
10 
15 
20 
25 
30 
35 
40
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.