68
lustig, immer voll Lieder, als echter Gebirgler, natürlich. Und wenn's
eine Rauferei gab, auch nicht der Letzte. Freilich, auch manches nütz¬
liche Buch habe ich nebenbei gelesen. Da hab' ich denn das Mädel
da kennen gelernt, meine Frau, und mit dem Zigeunern war's aus.
5 Ich sage nur eins: Wenn einer eine so glückliche Zeit erlebt hat
wie wir zwei in unserm Brautjahr und im ersten Jahre unserer Ehe,
dann soll er mit seinem Herrgott zufrieden sein, und wenn's ihm
nachher noch so hart ergeht. Im zweiten Jahre kam das Ännchen zur
Welt, und seitdem liegt meine Frau siech, und das Mädel ist lahm. Fünf-
10 zehn Jahre."
Ich muß gestehen, mich auf meinem Amboß überkam diesem schlichten,
ernsten Manne gegenüber, dem das Geschick so schwer mitspielte, ein
Gefühl der Beschämung. Wir von heute, angekränkelt sind wir, so groß
wir sind, von eingebildeten Leiden, überstüssigen Zweifeln und ungerechten
15 Verbitterungen. Hier stand ein Mann, der wahrlich nicht an ein¬
gebildeten Gedanken litt. Aber auf seinem Gesicht entdeckte ich nicht eine
Falte, die Verbitterung verriet.
Als wir langsam, unter ruhigen Gesprächen über dies und das,
durch die warme Mainacht dem Dörfchen zuschritten, veranlaßte ich den
20 Schmied, noch einmal auf sein Geschick zurückzukommen.
„Es verdient Achtung," sprach ich, „daß ein frischer Mann wie Ihr
das so ruhig und ohne Verbitterung aushält. Ich kannte Leute, die sich
in ähnlichen schweren Verhältnissen dem Trünke ergaben oder sonstwie
schlecht wurden. Bei uns zu Hause war sogar einer, der ließ Weib und
25 Kind im Elend sitzen und brannte über Nacht nach Amerika durch."
„Das muß ja ein erzliederlicher Schuft sein, der so was tut!" er¬
widerte der Schmied. „Und wenn's bei euch dort oben einer getan, so
will ich hoffen, daß ihr nicht viel von der Sorte im Laude habt. Ich tue
hier meine Pflicht, wie nun einmal unser Herrgott will. Ob's nun
30 fünfzehn Jahre mit meinen Zweien zu Hause so fortgeht oder dreißig.
Und ich bin mit meinem Herrgott zufrieden, das ist die Hauptsache, denk'
ich. Und meine Anna und mein Ännchen auch."
„Trotz alledem?"
„Trotz alledem," sagte er ruhig.
35 Dann fing er, da es ihm offenbar peinlich war, daß nur von ihm
und seinen Verhältnissen geredet wurde, ein Reden an über landwirt¬
schaftliche Dinge. Und wir waren bald in ein Gespräch verwickelt, das
die Zeit bis zum Kreuzwege reichlich ausfüllte. Mit einem herzlichen
Händedruck und einem ruhigen „Glückliche Reise" verließ mich der
40 ernste Mann.
Meine Gedanken von dort bis ins nahe Städtchen waren anderer
Art als zuvor. Dieser Schmied machte mir zu schaffen. Hier hatte ich
einen Helden gesehen, der unter den mißlichsten Verhältnissen vornehin und