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236. Karls des Großen Einrichtungen und
Familienleben.
Theodor Bernhard Welter.)
Wäre Karl nur Eroberer gewesen, so würde sein Verdienst
vorübergehend sein; denn schon bald nach seinem Tode zerfiel
das aus fremdartigen Teilen zusammengesetzte Gebäude e
Reiches. Sein Streben war aber auf elwas Höbheres gerichtet.
Wen er als Held mit dem Schwerte unterworfen hatte, den
wollte er als Vater mit Liebe beglücken. Unablässig war er
bemüht, seine Völker weiser und 8 zu machen. Die gelehr—
testen Männer seiner Zeit lebten an seinem Hofe und nhe
seine Achtung und Freundschaft. Durch sie stiftete er Schulen,
um dem Erziehungswesen aufzuhelfen. Er achtete mehr auf
erworbene tni die auch den Armsten adeln, als auf ererbte
Standesvorzüge. Darum besuchte er, wo er nur immer konnte,
die Schulen selbst, um mit eigenen Augen zu sehen, ob auch
seinen Vorschriften entsprochen würde. Mit ganzer Seele hin
er am Christentum. Deshalb sorgte er für gute Geistliche n
untersagte diesen alles, was sich mit der Wuͤrde ihres Berufes
nicht vereinigte. Neue Bistümer, Kirchen und Klöster wurden
egründet und reichlich ausgestattet. Die Klöster insbesondere
n nicht nur den Unterricht der Jugend fördern, sondern
auch für Arme und Kranke und Reisende gastfreundlich orgen;
denn Gasthöfe gab es nur wenige. Die Kirchen wurden mit
schönen Heiligenbildern geschmückt, um das Leben und die Tha—
ten frommer Männer bei der christlichen Gemeinde im Anden—
ken zu erhalten, und zur Verherrlichung des Gottesdienstes
ließ er Sänger und Orgelspieler aus Jlalien kommen. Karl
liebte auch seine Muttersprache sehr. Er arbeitete selbst mit
den Gelehrten seines Hofes an einer deutschen Sprachlehre und
ließ eine Sammlung altdeutscher Heldenlieder veraustalten.
Leider ist uns von diesen Bestrebüngen des großen Kaisers nichts
übrig geblieben als die deutschen Namen, die er den Winden
und den Monaten gab
Vorzügliche Sorgfalt verwandte Karl auf eine weise Ver⸗
waltung seines großen Reiches und eine gewissenhafte Rechts—
pflege in demselben. Zu diesem Zwecke ernannte er angesehene,
durch Alter und Erfahrung ausgezeichnete Männer, die den Na—
men Grafen führten. Die, welche einen Gau verwalteten, hießen
Gaugrafen; die, welche über eine Burg gesetzt waren, Burg—
grafen, die Pfalzgrafen standen den kaiserlichen Schlössern vor,
denn Pfalz bedeutet Schloß. Über die von den feindlichen
Völkern am meisten bedrohten Grenzbezirke seines Reiches sehte