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272. Deutschland.
* Heinrich Luden.
Deutschland, unser liebes Vaterland, gehört zu den schönsten
Landern, welche die Sonne in ihrem ewigen Laufe begrüßt. Es
liegt unter einem gemäßigten Himmel und ist unbekannt mit der
sengenden Luft des Südens wie mit der erstarrenden Kälte der
nördlichen Gegenden. Die größte Abwechslung und die reichste
Mannigfaltigkeit erfreut das Auge und erhebt das Gemüt.
Der Boden ist fähig zu jeglichem Anbau. Die befruchtende
Nraft, die einer Stelle versagt ward, spendet an der andern um
so reicheren Segen. Unterhalb des ewigen Schnees der Alpen
dehnen sich die herrlichsten Weiden aus An der kahlen Felswand
zieht sich ein üppiges Tal dahin. Neben Moor und Heide, die dem
menschlichen Fleiße nichts gewähren als die magere Frucht des
Buchweizens oder des Hafers, erfreuen uns die kräftigsten Fluren
mit den schönsten Saatfeldern und den herrlichsten Erzeugnissen des
Gartenbaues. Fruchtbäume prangen in unermeßlicher Menge und
in jeglicher Art, voin sauren Holzapfel bis zum lieblichen Pfirsich.
Hoch auf den Bergen des Landes erhebt unter Buchen und Tannen
die gewaltige Eiche ihr Haupt zu den Wolken empor und blickt über
Abhaͤnge und Hügel hinweg, die den köstlichsten Wein erzeugen.
Kein reißendes Tier schreckt den Bewohner, kein giftiges Ge—
würm droht ihm; aber reiche Jagdbeute bergen die Wälder, und
hohen Ertrag gewährt das Land an nützlichem Vieh für des Men—
schen Bedürfnisse und Genüsse. Das Schaf trägt Wolle für das
feinste Gespinst; der Stier verkündigt Kraft und Stärke in Bau
und Gestalt; das Pferd geht tüchtig einher im Fuhrwerke, präch—
tig vor dem Wagen der Reichen und stolz als Kampfroß unteèr
dem Krieger, hier ausdauernd und dort.
In ihrem Innern birgt die deutsche Erde große und reiche
Schätze. Unerschöpfliche Heilquellen bringen dem Menschen Gene—
sung und Kräftigung; mächtige Salzlager spenden das unentbehr⸗
lichfte Gewürz für arm und reich; Steinkohlen und Erze werden in
großen Mengen ans Tageslicht gefördert.
Ein solches Land, mit so reichen Gaben ausgestattet, ist von
der Natur unverkennbar bestimmt, ein großes und starkes Volk zu
rnähren in Einfalt und Tugend und eine hohe Bildung des Gen
ses in diesem Volke durch Übung und Anstrengung zu entwickeln.
Uuch entbehrt das Land nicht umsonst natürlicher Grenzen gegen
dsten wie gegen Westen. Die Bewohner können sich gegen den
Neid, die Habsucht und den Übermut fremder Völker auf nichts
berlassen als auf ihre eigene Kraft. Es gibt für sie keine Sicher—
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