Full text: Österreich-Ungarn, Balkan, Orient (Bd. 1)

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wühlen belebte Spiegel der Save, hinter uns das schlanke Minarett der 
Moschee von Bosnisch-Gradisca, die uns zuerst darauf aufmerksam gemacht 
hat, daß wir in die Welt des islamitischen Orients eingetreten sind. Die 
Feldmark des aus bosniakischen und türkischen Ackerbürgern bestehenden 
Grenzstädtchens scheint recht verwahrlost, Maisfelder, aber auch viel dürftiges 
Weideland. Es ist ein hoher kirchlicher Feiertag der Bosniaken, deshalb 
liegen die Felder menschenleer vor uns. Dafür geben die Scharen festlich 
geschmückter Kirchgänger in ihren bunten und malerischen Trachten, dazwischen 
auf einem niedrigen Wägelchen einige dicht verschleierte türkische Weiber ein 
anschauliches Bild der farbenfreudigen und mannigfaltigen Volkstrachten in 
diesem national so bunt gemischten Lande. Schon nach kurzer Fahrt wird die 
Gegend gepflegter, das Weideland weicht bescheiden vor breiten, akkurat 
abgegrenzten Mais- und Weizenfeldern zurück, regelrechte Obstgärten breiten 
sich aus, am Horizont erscheinen zwei weiße Kirchtürme mit spitzen Helmen, 
bie ebensogut zwischen Röln und Hannover stehen könnten, und zwischen 
den würfelförmigen, von hohem spitzen Schindeldach gekrönten, meist arg 
verwahrlosten einheimischen Häusern, deren holzgeschnitzte Haremsgitter die 
Türkenwohnungen anzeigen, erscheinen erst vereinzelt, dann immer dichter 
gesät, langgestreckte, behäbig breite Gehöfte, Wohnhaus, Stallungen und 
Scheunen zumeist nach niederrheinischer Art zu einem Viereck zusammen- 
gestellt. Schon auf Kilometerweite sind sie als deutsche Bauernhäuser un- 
verkennbar. Wir passieren ein unglaublich zerfallenes und schmutziges, doch 
ebenso unglaublich malerisches Zigeunerdorf, dann schwenkt unser türkischer 
Rutscher von der Landstraße ab, auf wohlgepflegtem Feldwege einem besonders 
stattlichen Gehöft zu und wirft uns über die Schulter die beiden Worte zu: 
„WindHorst, Siebenmorgen!" fln der Einfahrt kommt uns mit prüfendem 
Blick ein stattlicher Weißbart im Arbeitskittel entgegen- seine scharfen, ver- 
witterten Züge leuchten bei unserm deutschen Gruß förmlich auf vor Freude 
und Überraschung. Im nächsten Augenblick sind wir schon drin in der guten 
Stube, und mit kräftigem Handschlag und einem kühlen Trunk Landweins 
begrüßt der Bürgermeister Siebenmorgen von Windhorst, ein Sohn des ge- 
segneten Rheinlandes und Veteran dreier deutscher Feldzüge, die unvermuteten 
Gäste aus dem Deutschen Reich. Er hat's zu etwas gebracht da draußen, der 
Alte, und wenn er mal die Augen zumacht, so werden seine elf Rinder nicht 
Not zu leiden brauchen. Den Geldschrank, der sich an der einen Wand breit- 
macht, wird er kaum schon aus der Heimat mitgeführt haben, vorläufig aber 
steht er noch fest in seinen Schuhen, und wir trauen dem Dreiundsiebzig^- 
jährigen ohne weiteres zu, daß er seinen vierjährigen Jüngsten, den Blond- 
Kopf, der hinter Vaters beschützendem Beinkleid weg neugierig mißtrauisch 
zu den Fremden aufschaut, erst noch zu einem ebenso tüchtigen Kerl und 
wackeren Deutschen aufziehen will, wie er's mit den älteren getan, die nun 
meist schon auf eigener Scholle sitzen. Der Alte versteht als echter Rheinländer 
zu erzählen und hat was erlebt. Er hat seine 1866 und 1870 erworbenen 
Waffenkenntnisse da unten manchmal brauchen können, bis die Österreicher 
Ordnung im Lande geschaffen und der bosniakische Räuber eine Schreckfigur 
der Rinder und Spinnstuben geworden ist. Eine Freude ist's, zuzuhören, mit 
welch klarer Einsicht und gesundem Überblick der einfache deutsche Mann es 
gelernt hat, die oft recht schwierigen Verhältnisse zu meistern, und es wird 
einem warm ums herz, wenn man aus dem Munde des alten rheinischen
	        
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