Full text: Deutscher Kinderfreund

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V. Aus der Welt des 
216. (13.) Die Mutter. 
1. Wenn du noch eine Mutter hast, so danke Gott und sei zufrieden! 
Nicht allen auf dem Erdenrund ist dieses hohe Glück beschieden. 
Wenn du noch eine Mutter hast, so sollst du sie mit Liebe pflegen, 
daß sie dereinst ihr müdes Haupt in Frieden kann zur Ruhe legen. 
2. Denn was du bist, bist du durch sie; sie ist dein Sein, sie ist dein Werden, 
sie ist dein allergrößtes Gut und ist dein größter Schatz auf Erden. 
Des Vaters Wort ist ernst und streng, die gute Mutter mildert's wieder; 
des Vaters Segen baut das Haus, der Fluch der Mutter reißt es nieder. 
3. Sie hat vom ersten Tage an für dich gelebt mit bangen Sorgen; 
sie brachte abends dich zur Ruh' und weckte küssend dich am Morgen. 
Und warst du krank, sie pflegte dein, den sie mit tiefem Schmerz geboren; 
und gaben alle dich schon auf, die Mutter gab dich nicht verloren. 
4. Sie lehrte dich den frommen Spruch, sie lehrte dich zuerst das Reden; 
sie faltete die Hände dein und lehrte dich zum Vater beten. 
Sie lenkte deinen Kindessinn, sie wachte über deine Jugend; 
der Mutter danke es allein, wenn du noch gehst den Pfad der Tugend. 
5. Wie oft hat nicht die zarte Hand auf deinem lock'gen Haupt gelegen! 
wie oft hat nicht ihr frommes Herz gefleht für dich um Gottes Segen! 
Und hattest du die Lieb' verkannt, gelohnt mit Undank ihre Treue: 
die Mutter hat dir stets »erziehn, mit Liebe dich umfaßt aufs neue. 
6. Und hätte selbst das Mutterherz für dich gesorget noch so wenig, 
das wen'ge selbst vergiltst du nie, und wärest du der reichste König. 
Die größten Opfer sind gering für das, was sie für dich gegeben; 
und hätte sie vergessen dich, so schenkte sie dir doch das Leben. 
7. Und hast du keine Muster mehr, und kannst du sie nicht mehr beglücken, 
so kannst du doch ihr frühes Grab mit frischen Blumenkränzen schmücken. 
Ein Muttergrab ein heilig Grab, für dich die ewig heil'ge Stelle. 
O wende dich an diesen Ort, wenn dich umtost des Lebens Welle! 
Kaulisch. 
217. (14.) Das Kind unter den Wölfen. 
Auf dem Riesengebirge lebte einmal eine arme Frau, die hatte ein 
kleines Kind und auch eine große Herde. Die Herde gehörte aber 
nicht der Frau, sondern sie hütete sie nur. Und da saß sie einmal 
mit ihrem Kinde in dem Walde und gab ihm Brei aus dem Napfe, und 
die Kühe weideten unterdessen auf dem Grase. In dem Walde aber 
waren böse Wölfe; und als die Kühe von dem Grase in den Wald 
gingen, wo es kühl war und auch viel Gras wuchs, dachte die Frau, 
der Wolf könnte kommen und die Kühe fressen. Da gab sie dem Kinde
	        
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