Full text: Lesebuch für die Mittelklassen der Elementarschulen in Elsaß-Lothringen

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44. Das Vogelnest. 
Wenn du ein Finkennest in die Hand nimmst und es be- 
trachtest, was denkst du dazu? Getrautest du dich, auch so eins 
zu stricken? Ich glaub's schwerlich. Ja, ich will zugeben: der 
Mensch vermag viel. Ein geschickter Künstler mit zwanzig feinen 
Instrumenten kann nach vielen mißlungenen Versuchen zuletzt 
etwas herausbringen, das einem Finkennest gleich sieht, und 
alle, die es sehen, können es von einem wirklichen Nest, das 
der Vogel gebaut hat, nicht unterscheiden. Alsdann bildet sich 
der Künstler etwas ein und meint, jetzt sei er auch ein Fink. 
Guter Freund, dazu fehlt noch viel! Und wenn ein wahrer 
Fink dazu käme und könnte dein Machwerk durchmustern, so 
würde er den Kopf ein wenig auf die Seite drücken und dich 
mit den Augen seltsam ansehen, und so er menschlich mit dir 
reden könnte, würde er sagen: „Lieber Mann, das ist kein 
Finkennest! Ich mag's betrachten wie ich will, so ist's gar kein 
Vogelnest. So einfältig und ungeschickt baut kein Vogel." 
Alle Finkennester in der Welt sehen einander gleich, vom 
ersten im Paradiese bis zum letzten in diesem Frühlinge. Kein 
Fink hat das Nesterbauen gelernt. Jeder kann's selbst. Die 
Mutter legt ihre Kunst schon in das Ei. Das erste Nest eines 
Finken ist schon so künstlich wie sein letztes. Er lernt's nie besser. 
Jedes Vogelnest ist ganz vollkommen und ohne Tadel, nicht 
ZU groß und nicht zu klein, nicht zu wenig daran und nicht zu 
biel, dauerhaft für den Zweck, wozu es da ist. In der ganzen 
Vatur ist kein Lehrplatz, lauter Meisterstücke. 
Nach Hrbel. 
43. Das Vogelei. 
Das Vogelei ist gar merkwürdig. In seinem Innern 
llegt der gelbe Dotter, aus dem das kleine Vögelchen sich 
bildet, wenn die alten Vögel fleißig brüten. Der Dotter ist 
von dem schleimigen Eiweiß umgeben, so daß es gar nicht 
gedrückt werden kann. Zarte Häutchen umschließen das 
Eiweiß, und eine harte, kalkartige Eierschale schützt den 
ganzen Inhalt des Eies. 
Solange das Vöglein noch im Ei schlummert, nährt es 
Lieh vom Eiweiß; wenn es aber erwacht, so pickt es mit
	        
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