Full text: [Oberstufe, [Schülerband]] (Oberstufe, [Schülerband])

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langsam in das Haus. Alle zogen mit meinem Alten in die Stube, 
weil sie dachten, er würde nun gleich in den Sonntagsrock fahren 
und mitrennen. Aber proste Mahlzeit! — An den Tabakskasten 
ging mein Alter, stopfte sich eine Pfeife, schlug langsam Feuer und 
sagte: „Nun, so kommt, meine Herren!“ 
Da standen alle mit offenen Mäulern da, aber mein Gottfried 
ließ sich nicht irremachen. In Schlafrock und Pantoffeln marschierte 
er ruhig — ich sehe ihn noch heute — voran bis an die nächste 
Straßenecke. Da blieb er stehen und die Nachbarn um ihn herum, 
zeigte mit der Pfeifenspitze auf einen Zettel, der da klebte, und 
auf dem stand: „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!“ oder so was 
— ich hab's vergessen — klappte seinen Pfeifendeckel zu, drehte sich 
langsam um und ging ins Haus zurück. Meine beiden Jungen 
brachte er mit, worüber ich seelenfroh war. „Da, Mutter,“ sagte 
er, als er sie in die Tür schob, „heb sie mir auf, wir brauchen sie 
einmal!“ 
h wußte damals nicht, was das heißen sollte; später er— 
fuhr ich's. — — Hier traten der alten Frau die Tränen in die 
Augen, und ihr Spinnrad hörte auf zu schnurren. Es herrschte 
tiefe Stille im Zimmer. 
Gut. Von nun ab bekümmerte sich mein alter Seliger um 
nichts mehr draußen, sondern ging wieder zu seinem Sägebock und 
sägte weiter, bis die Einquartierung kam. Herr meines Lebens, 
da hättet ihr den Mann sehen sollen! Das ganze Haus kam in 
Aufruhr; das Neste, was Küch' und Keller hielt, ward aufgetischt, 
und je mehr die kleinen gelben Kerle schwadronierten, desto fröh— 
licher wurde mein Alter. „Das ist die rechte Sorte!“ rief er immer, 
sich die Hände reibend. „Solche mußten's sein! Wenn nur genug 
von ihnen da sind!“ Französisch hatte er etwas von der Wander— 
schaft mitgebracht, und so waren sie bald die besten Freunde mit— 
einander auf Du und Du, daß die Nachbarn ordentlich die Nase 
rümpften. Die aber gingen zu allen Deputationen und illuminierten 
und bekränzten ihre Häuser und so, — das tat aber mein Gottfried 
nicht, und wenn er einen vom Rat der Stadt sah, zog er jedes— 
mal richtig die Zipfelmütze herunter über die Ohren. 
Gut. Da war ein Franzos zwischen den andern, der war 
von daher, wo sie halb Deutsch, halb Französisch sprechen, den 
konnt' ich auch verstehen, und es war so gut, als wenn ich Fran— 
zösisch gekönnt hätte. Was geschieht? Eines Abends sitzen sie alle 
zusammen und mein Alter mitten drinnen und kauderwelschten, 
daß einem Hören und Sehen verging, und ich saß im Winkel und 
strickte, und die Jungen spielten im Winkel. Spricht mein Alter
	        
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