Full text: Die Weltgeschichte in übersichtlicher Darstellung

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Das Mittelalter. 
Ritter- h. 242. Hinsichtlich ihres Berufes schied sich die mittelalterliche Menschheit in 
thum. Stände: in Wehrstand, Lehrftand und Nährstand. 1) Der 
Wehr- oder Kriegerstand umfaßte den Adel und die Ritterschaft mit 
ihren Vasallen und Kriegsknechten. Das Ritterthum beruhte sowohl auf der 
Geburt aus einem ritterbürtigen Geschlechte, als auf der rittermäßigen 
Erziehung als Page oder Knappe, wobei man sich durch eine Waffenthat die 
Sporen verdienen mußte, ehe man durch den Ritterschlag in die Genossenschaft 
ausgenommen werden konnte. Der Hauptzweck des Ritterthums war Kampf, bald 
um die eigene Kraft zu beweisen oder die persönliche Ehre zu verfechten; bald 
um die Religion und deren Träger, die K i r ch e und Geistlichkeit, zu verthei- 
digen, bald um die Frauen als das schwächere Geschlecht zu beschützen. Die dem 
germanischen Charakter eigenthümliche Hochachtung gegen daS Weib führte die 
Frauenverchrung und den Minncdienst, die Seele des Ritterwesens und 
der mittelalterlichen Dichtkunst, herbei. Ritterspiele oder Turniere, wobei 
ein Edelfräulein dem Sieger den Preis (Dank) reichte, dienten zur Erhaltung und 
Belebung des ritterlichen Sinnes; und damit kein Unberechtigter unter der Hülle 
der Rüstung, des Helms und Panzers sich einschleiche, wurden die Wappen 
als sinnbildliche Andeutung der Namen und Geschlechter eingeführt. 
§. 243. 2) Der Lehrstand umfaßte die ganze Geistlichkeit (Klerus), 
Hicrar- sowohl die P r i e st e r sch a ft in ihrer mannichfachen Abstufung als die Kl oster- 
&ie- geistlichkeit. Im Alleinbesitz der Bildung und mit der Macht ausgerüstet, des 
Menschen Seelenheil zu bestimmen, erlangte der Klerus über die unwissenden, von 
religiöser Andacht und gläubiger Hingebung erfüllten Volker des Mittelalters eine 
große Herrschaft. Das kirchliche Oberhaupt, der Papst, gebot über alle weltliche 
Fürsten und Reiche, und betrachtete die Kaiserkrone als sein Lehn; die höhere 
Geistlichkeit bekleidete nicht selten neben ihren kirchlichen Würden auch die ein¬ 
flußreichsten Staatsämter, und die meisten Erzbisthümer, Bisthümer und Abteien 
erlangten allmählich große Besitzungen, so daß sie Fürstenthümern gleich kamen. 
Stolze Domkirchen (Kathedralen), geschmückt mit den Erzeugnissen aller 
Künste, gaben Zeugnis von der Größe der bischöflichen Hauptsitze. Ein genußrei¬ 
ches Leben im reichgeschmückten Hause schien ein Vorrecht der höhern Geistlichkeit. 
Die bischöfliche Macht, die ursprünglich sehr groß war, wurde von dem römi¬ 
schen Oberkirchenamt (Curie) immer mehr verkürzt. Die Einsetzung der Bi¬ 
schöfe, welche anfangs von den Landesherren ausging, wurde allmählich als aus¬ 
schließliches Recht von dem päpstlichen Hof in Anspruch genommen; die geistliche 
Gerichtsbarkeit der Landesbischöfe wurde mehr und mehr beschränkt, indem 
der päpstliche Gerichtshof in Rom alle wichtigen Fragen vor sein Forum nahm und 
viele Klöster und Abteien dem Bereiche der Bischofsgewalt entzog und unmittelbar- 
unter die römische Gerichtsbarkeit stellte. Für alle Ernennungen, Gerichtsurtel und 
Dispensationen mußten große Summen bezahlt werden, wodurch sehr viel Geld nach 
Rom floß. Um das ganze Kirchenwesen fortwährend überwachen und von Rom aus 
Alles leiten zu können, zogen beständig Legaten (Stellvertreter des Papstes) in 
den Ländern umher. So wurde die päpstliche Gewalt eine unumschränkte, und 
je höher sie stieg, desto weniger wagte Jemand dagegen aufzutreten; jeder Gegner 
der bestehenden geistlichen Einrichtungen galt als Feind der Kirche und die furcht¬ 
barste Kirchen strafe in ihrer dreifachen Abstufung, als Bann (der den Einzel¬ 
nen traf), als Int er di kt (das, über ganze Landschaften ausgesprochen, alle kirchli¬ 
chen und gottesdienstlichen Handlungen untersagte) und als Kreuzzug mit dem 
Glaubensgericht (Inquisition), wodurch ganze Völkerschaften der Vernichtung 
preisgegeben wurden, bedrohte die Vermessenen. Diese Macht des Papstthums wurde 
besonders befördert 1) durch die (p se ud o-) i sid o ri sch en Dekretalen, eine
	        
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