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rarf ugt, jage schneller im Weltraume fort als eine losgeschossene
Kanonenkugel, ohne daß wir es sehen. Das ist das stille Jagen, der stille
Sturm der Zeit. Laß dein Leben nicht darin zerbröckeln und zerstäuben
in verdorbene, nutzlos verlebte Tage! Jeder Tag wird auferstehen von
den Toten ins ewige Leben, dir zum Gericht oder zur schönen Seligkeit.
Aber du bist nur Herr und Eigentümer des heutigen Tages. Die ver—
gangenen Tage sind unauslöschlich eingeätzt im Buche deines Lebens, und
vielleicht kommt bald das letzte Blatt, dein letzter Tag; und der Sarg, in
den sie dich legen, ist der Gedankenstrich zu deinem verflossenen Erden—
leben. Dann nagelt der Schreiner noch den eisernen Schlußpunkt hinein,
der Totengräber aber wirft den Streusand über dich hin mit seiner
Schaufel. — Gott behüte dich!
Alban Stolz. (Das Vaterunser und der unendliche Gruß.)
Was man von der Minute ausgeschlagen, gibt keine Ewigkeit
zurück!
130. Denk es, o Seele!
Ein Tännlein grünet wo,
wer weiß, im Walde,
ein Rosenstrauch, wer sagt,
in welchem Garten ?
Sie sind erlesen schon,
denk es, o Seele,
auf deinem Grab zu wurzeln
und zu wachsen. — —
Zwei schwarze Rößlein weiden
Schiller.
10 auf der Wiese,
sie kehren heim zur Stadt
in muntern Sprüngen.
Sie werden schrittweis' gehn
mit deiner Leiche,
tz vielleicht, vielleicht noch eh'
an ihren Hhufen
das Eisen los wird,
das ich blitzen sehe!
Eduard Mörike.
131. Die Kapelle.
. Droben stehet die Rapelle,
schauet still ins Tal hinab;
drunten singt bei Wies' und Quelle
froh und hell der Zirtenknab'.
2. Traurig tönt das Glöcklein nieder,
schauerlich der Leichenchor;
stille sind die frohen Lieder,
und der Rnabe lauscht empor.
3. Droben bringt man sie zu Grabe,
die sich freuten in dem Tal.
Zirtenknabe, Zirtenknabe,
dir auch singt man dort einmal!
Ludwig Uhland.